Die Kinder des Saturn
hängt) und nutze dazu die für bedrohliche Situationen bestimmten Reflexe.
»Entschuldigung, sind Sie Fri…« Er erstarrt und macht große Augen, weil er mich wiedererkennt. Aber das macht nichts, denn auch ich erstarre in diesem Moment und schiele fast vor emotionalem Druck.
»Ja, kommen Sie herein«, bringe ich mit vor Verlegenheit halb erstickter Stimme hervor. Es mag ja sein, dass ich meine Farbe
nach Lust und Laune wechseln kann, aber unsere Schöpfer haben uns bestimmte Reflexe eingepflanzt, die man kaum unterdrücken kann, und ich weiß, dass meine Ohrläppchen im Moment knallrot leuchten. »Schließen Sie die Tür hinter sich.« Ich bin weder nackt noch vollständig bekleidet, sondern irgendetwas dazwischen. Und er wirkt genauso sinnlich, wie ich es aus Juliettes Erinnerungen weiß – sogar noch sinnlicher, da er jetzt kein Operettenkostüm trägt. Seiner Miene nach zu urteilen, haben sich meine Brustwarzen durch meine Unterwäsche gebohrt, Löcher hinterlassen und Kommunikationskanäle hoher Bandbreite geöffnet, die unmittelbar in sein Kleinhirn führen. »Sie sind Petruchio, stimmt’s?«
»Und Sie sind …« Er befeuchtet seine Lippen. (Auch das ist ein Reflex, den die Schöpfer uns eingepflanzt haben, zusammen mit der Erweiterung der Pupillen und der Verdunkelung der Augen.) »Sie sind nicht Kate, oder doch? Sie müssen eine ihrer Schwestern sein.« Er tritt einen Schritt vor. »Was haben Sie mit ihr angestellt?«
Ich kann mich weder rühren noch den Blick von ihm abwenden, so heftig ist seine Wirkung auf mich. Seine Hände sind fest zu Fäusten geballt und seine Nasenlöcher gebläht, da er schnuppert. Er trägt einen unauffälligen Overall, an dem ein Namensschild befestigt ist, und hat am Eingang einen Werkzeugkasten stehen lassen. Dennoch schwirrt mir bei seinem Anblick und bei dieser Stimme der Kopf, denn er ist schlicht perfekt . Einen entsetzlichen Augenblick lang koche ich vor Eifersucht. So ein Pech aber auch, dass Juliette mir zuvorgekommen ist und ihn sich schnappen konnte! Gleich darauf kneife ich die Augen halb zusammen, und der vorübergehende Ausfall meiner Sehkraft wirkt so, als schnitte ein eiskaltes Messer durch mein emotionales Chaos.
»Ich habe gar nichts mit ihr angestellt«, gebe ich scharf zurück. Als er kurz vor mir stehen bleibt, ist ihm deutlich anzumerken, wie aufgebracht und angespannt er ist. Ich selbst befinde mich in einem solchen emotionalen Konflikt, dass ich zittere. Ich habe tatsächlich ein schlechtes Gewissen , weil ich ihn so barsch abgefertigt
habe – einen Mann, dem ich noch nie begegnet bin und der eindeutig unter der Situation leidet. Juliettes Erlebnisse müssen mir wohl wirklich unter die Haut gegangen sein. »Ja, sie ist meine Schwester, aber in Wirklichkeit heißt sie nicht Kate, das ist nur ein Deckname. Ihr richtiger Name ist Juliette, und ich weiß nicht, wo sie sich derzeit aufhält.«
»Aber Sie …«
»Unser gemeinsamer Auftraggeber hat mich hierhergeschickt.« Ich hole tief Luft. »Juliette ist verschollen. Und immer, wenn ich nach dem Grund frage, weicht man mir aus.« Das ist nur die halbe Wahrheit, wispert Juliette in meinem Hinterkopf. »Ich weiß über Sie und Juliette Bescheid und glaube, dass ihr Verschwinden vielleicht damit zu tun hat …«
»Falls SIE Juliette gefunden hat …« Seine Bestürzung ist nicht zu übersehen.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass das nicht geschehen ist.« Seine niedergeschlagene Miene entspannt sich leicht. »Juliette ist sehr zäh, glauben Sie mir. Aber vielleicht steckt sie in der Klemme.«
»Verdammt nochmal, welche Art von Klemme meinen Sie damit?«
Er ist tatsächlich ein Unschuldslamm, dafür könnte ich ihn küssen (keine gute Idee, Freya!) . »Warten Sie mal.« Einen Moment lang wende ich ihm den Rücken zu, hole den Seelenchip aus dem intimen Versteck heraus, das Dr. Murgatroyd mir eingebaut hat (es ist nicht groß) und reiche ihm den Chip. »Das hier soll ich Ihnen geben. Werden Sie schlau daraus?«
»Meine Güte, ja, natürlich. Mir war nur nicht klar, dass Sie der Kurier sind. Das könnte die Sache komplizieren.« Er hält sich den Chip an die perfekt geformten Lippen und schluckt. »Hm, das alles hat ja einen seltsamen Beigeschmack. Ich werde den Chip meiner Gebieterin übergeben, sobald ich wieder zu Hause bin.« Meiner Gebieterin? Plötzlich frage ich mich, wer hier für wen – oder gegen wen – arbeitet. »Welche Schwierigkeiten befürchten Sie denn?«
»Tut mir leid, aber ich
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