Die Kinder des Saturn
dumm von Jeeves, ausgerechnet dich hierherzuschicken. Es sei denn …«
Genau. Angespannt wappne ich mich für das, was bestimmt als Nächstes kommen wird. »Soll ich Juliette irgendetwas von dir ausrichten, falls ich sie sehe?«
Er sieht mich verdutzt an. »Ja, sag ihr … Erzähl ihr von meiner neuen Situation. Richte ihr aus, dass ich sie liebe, und sag ihr, wie leid mir alles tut.« Er windet sich nervös hin und her. »Es wird ja nicht ewig so bleiben.« Er beugt sich hinunter, um nach seinem Werkzeugkasten zu greifen. »Und was dich betrifft …« Er richtet sich auf und bleibt vor der Tür noch einen Augenblick stehen. (Inzwischen hat sie sich vorgewölbt und Richtung Bad eine Luftschleuse ausgefahren.) »Versuch zu begreifen, dass ich Juliette liebe, und du bist nicht Juliette. Es tut mir sehr leid, dass du unter dieser, äh, Wahnvorstellung leidest« – er legt eine Hand auf die Luftschleuse -, »aber ich begehre dich nicht.«
Danach verschwindet er aus meinem Leben, lässt mich einfach allein in dem Zimmer mit dem zersprungenen Fenster und mit einem gebrochenen Herzen zurück. Und das Einzige, was ich zu erwarten habe, ist die Ankunft der von der Domina gedungenen Scharfrichter.
ZWEITER TEIL
UNTERWEGS ZUM ÄUSSEREN SYSTEM
auf der flucht
NOCH EINMAL WILLKOMMEN AUF DEM MARS.
Mars ist der am drittlängsten besiedelte Planet (sofern man Luna mitzählt). Unsere Schöpfer haben uns zum Mars geschickt, damit wir ihn erforschen und dabei den Tod finden, dort als Nächstes Gebäude errichten und dabei den Tod finden und schließlich lernen, Fabriken zu errichten, uns selbstständig zu reparieren und weitere Kohorten williger Roboter für die noch leer stehenden Unterkünfte zu konstruieren. Denn unsere Schöpfer träumten vage davon, auf Mars irgendwann in naher Zukunft ein ungeheuer ehrgeiziges Projekt zur Umwandlung des Planeten in die Wege zu leiten, Wasser, Luft, Wärme und Green Goo zu importieren und Mars letztendlich zu einer zweitklassigen, staubtrockenen und ein wenig kühleren Version der Erde zu machen.
Sie haben es sogar noch geschafft, mehrere Hundert ihrer eigenen Leute zur Überwachung der Arbeiten hierherzuschicken, während meine Verwandten sich als Sklaven abrackerten und Unzählige davon ihr Leben ließen. Denn Aufgabe der Sklaven war es, die Bergwerke, Stahlfabriken und Fertigungsanlagen aus dem Boden zu stampfen, die die Hilfsmittel dafür liefern sollten, Valles Marineris zu überdachen und die ersten Kabel zu verlegen, die später zur Bifröst-Brücke werden sollten. Immer noch kann man bestimmte Abschnitte der gotischen Gewölbebogen zur Überbrückung der riesigen Spalte sehen, auch wenn die wenigen Überdachungselemente, die fertiggestellt wurden, längst verfallen sind. Bifröst ist es natürlich besser ergangen, und heute wird über den Raumaufzug ein großer Teil des Handels zwischen dem inneren
Sonnensystem und dem dunklen äußeren System abgewickelt. Selbst das Terraform-Projekt wurde auf den Weg gebracht, ehe unsere Schöpfer den Geist aufgaben. Der atmosphärische Druck am Grunde des Marineris-Grabens beträgt fast zehn Kilopascal, und gelegentlich, wenn ein warmer Sommertag zu Ende geht, sickert aus der dünnen Wolkendecke sogar kühles Regenwasser und verteilt sich über dem ausgebleichten Sand.
Im Hellasbecken ist die Situation selbstverständlich ganz anders. Wenn man dort ein Glas Wasser über dem Boden ausleert, wird es kurz sprudeln und zischen und Blasen bilden, die wie Schießpulver riechen, die Nase kitzeln und einen an den ersten Atemzug erinnern, den man in der Stratosphäre von Venus getan hat.
Das Becken ist eine Wüste, die kaum besondere Züge aufweist. Nur Krater, sowohl natürliche als auch künstliche (es gibt dort riesige Tagebauminen), durchbrechen die Eintönigkeit. Darüber hinaus sind hier auch die strenger überwachten Ländereien zu finden, die die Aristos mit Hilfe von Sklaven bewirtschaften. Die großen Häuser im Zentrum der mit Kuppeln überdachten Landgüter sind arrogante Symbole aristokratischen Reichtums und aristokratischer Macht, doch im Vergleich zu den allgegenwärtigen rötlichen Sanddünen der Wüste wirken sie aufgrund ihrer spärlichen Anzahl dennoch armselig.
An einer der Hauptstrecken, die durch das südliche Tiefgebiet führen, liegt die Stadt mit dem Kopfbahnhof. Es sind nicht nur Personenzüge, die durch die Ebene rumpeln. In stillen Nächten kann man die verlorenen Seelen hinter den Gitterstäben der Güterwaggons
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