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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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sauberen Schaumstoffs hinter mir auftaucht. »Bilbo weiß, wie man das macht! Setz dich jetzt. Morgen wirst du am Olympus entlangfahren.«
    Die unerbetene Freundlichkeit dieser Geschöpfe ist ebenso verblüffend wie anrührend. Ich bin zu erschöpft, um mit ihnen herumzustreiten, also füge ich mich. Aus mir unbekannten Gründen veranstalten die Landstreicher einen Riesenwirbel um mich, schieben mich näher an ihre kostbaren Heizstrahler heran und bieten mir ihr heimlich »besorgtes« Netzkabel an. Die Polizei schert sich nicht um dieses Lagerfeuer aus Heizstrahlern am anderen Ende des Bahnhofs, sie hat alle Hände voll mit dem explodierten Schlafwagen zu tun. Niemand hat heute Abend Zeit, die obdachlosen Vagabunden wegzuscheuchen. Sie schwatzen und scherzen über ihren letzten Bahnhofsstopp am Vorabend und reden darüber, wo sie am kommenden Tag hinziehen wollen, sind dabei aber so offenherzig, dass ich mich in ihrer Gegenwart nach kurzer Zeit entspanne. Sie sind wirklich nicht anders, als sie erscheinen. Und ich habe so viel Zeit unter Lügnern verbracht, dass ich zu Tode erschöpft bin. Nach einer Stunde falle ich in einen heilsamen Schlaf, und endlich einmal träume ich nicht.

    Als es hell wird, wache ich auf und habe den seltsamen Eindruck, dass die Welt sich um mich dreht.

    Einige Sekunden lang kann ich mich nicht daran erinnern, wer ich bin. Es ist wirklich seltsam: Offenbar habe ich unterschiedliche Erinnerungen an den Vorabend, die einander überlappen. Beispielsweise erinnere ich mich daran, dass ich nackt durch die Marswüste spaziert bin, bis zu einem verlassenen Bahnsteig, in dessen Umgebung Daks mit einer Planierraupe auf mich gewartet hat. Aber ich weiß auch, dass ich spärlich bekleidet einen Rangierbahnhof überquert habe und auf eine Reihe von Containerwaggons zugegangen bin, wo …
    Irgendwo tief unter mir ist ein dumpfer Schlag zu hören, und die Welt ringsum gerät ins Schlingern. Als ich die Augen aufschlage, sehe ich über mir einen tiefblauen Himmel. Ich drehe meinen Kopf nach links und merke, dass ich auf einer Schaumstoffmatratze liege und meine Schultertasche mir als Kopfkissen dient. Und da drüben, fast in greifbarer Nähe, wie mir vorkommt, liegt eine typische Marslandschaft: rötlicher Wüstensand, jede Menge verstreuter Steine, in der Ferne die niedrigen Hügel eines Kraterrands. Und diese Landschaft bewegt sich . Während ich mich aufsetzen will, stelle ich fest, dass mein provisorisches Bett irgendwie auf einem Frachtcontainer gelandet ist. Wenige Meter entfernt hebt sich der Horizont wie mit dem Lineal gezogen vom Rande des Containers ab. Dahinter erkenne ich einen zweiten rostigen Stahlcontainer, dem noch viele weitere folgen … Ich versuche sie zu zählen, aber mir gehen die Finger und Zehen aus, ehe ich die Reihe halbwegs erfasst habe. (Selbstverständlich ist das nur geflunkert. Auch ohne Hände und Füße zu Hilfe zu nehmen, kann ich zweistellige Zahlen zusammenzählen. Aber ihr versteht schon, worauf ich hinauswill.) Der Zug erstreckt sich bis zum Horizont und rumpelt, quietscht und rattert, als die folgenden Waggons über die Weichen rollen, die wir bereits hinter uns gelassen haben.
    »Oh, wach?«, zwitschert jemand hinter mir.
    Ich springe nicht vom Container herunter, denn es ist nur Bilbo, bei Tageslicht besehen ein von Rost überzogener eiserner Hundertfüßler mit einem Sensorenkopf, der für eine geringe Schwerkraft
gemacht ist. »Ja, vielen Dank auch«, sage ich so liebenswürdig wie möglich. »Wo sind wir?« Als ich über ihn hinwegblicke, sehe ich eine weitere Containerschlange in der Ferne verschwinden. Mein Gott und Schöpfer, dieses Ding ist ja wirklich riesig!
    »Auf’m Frachtguttransport nach Norden mit Waren für Jupiter«, erwidert Bilbo, der an diesem Morgen putzmunter ist. »Die Hälfte der Container auf dieser wunderbaren Maschinerie is für den großen Sprung ins Dunkle vorgesehen. Via Marshafen«, fügt er hinzu. »Ich dachte, das würde dir gefalln.«
    »O Bilbo!« Ich beuge mich lächelnd vor. »Ich danke dir!« Ich denke lieber nicht darüber nach, dass ich wie eine Tote geschlafen habe, während Bilbo und seine Freunde mich auf den Container verfrachtet haben. »Das ist wirklich toll!« Plötzlich schießt mir etwas durch den Kopf. »Aber warum bist du …?«
    »Ein Rangierbahnhof isso gut wie der andere!«, erklärt er fröhlich. »Außerdem komm’ jedes Mal die Bullen, sobald’s hell wird. Is wirklich am besten, nich in deren Reichweite zu

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