Die Kinder des Saturn
Kopiervorlage für die Serie drei gearbeitet wurde, ist es eigentlich ein Wunder, dass überhaupt jemand von euch überlebt hat.«
»Rhea?«, wiederhole ich verständnislos.
»Ha! Glaubst du etwa, du hättest das Ende der Fahnenstange schon erreicht, als dieses Arschloch Jeeves dir eine Zauberpille untergejubelt hat, um dich in eine Mutantin, in einen mordgeilen Sexbot zu verwandeln?« Jetzt klingt sie belustigt. »Emma, dieses heimtückische Miststück, hätte es besser wissen müssen, als Rheas Fehlfunktionen herunterzuladen! Die Serie zwei ist schon schlimm genug, wie du inzwischen weißt. Als bescheidene Auslaufmodelle, nicht mehr benötigte Sexroboter sind wir früher kaum jemandem aufgefallen. Doch als einige der Schwestern plötzlich an den falschen Orten auftauchten – üblicherweise mit einem abgetrennten Kopf in der einen Hand und mit einem Messer in der anderen -, entstand eine gewisse Nachfrage nach unserer Sippe. Rheas Training ging auch nach Fertigstellung der Kopiervorlagen für die Serien eins und zwei weiter. Es gibt noch mehr als diese beiden Speicherauszüge. Der Seelenchip, auf dem Rheas Selbstmord gespeichert ist, war ein einziger Schwindel.
Eine Kopie von Rhea wurde mit Versklavungschip samt Override-Befehl versehen, und dann hat man dieser Kopie befohlen, ein klägliches Ende zu nehmen. Doch mittlerweile befand sich unsere echte Matriarchin und Kopiervorlage längst in einem völlig anderen Stadium. Und diese Upgrades nach Rheas Vorlage sind ein wahrer Alptraum, das kannst du mir glauben!«
»Aber … aber …« Woher beziehe ich all diese Informationen?, fragt sich ein Teil von mir. Normalerweise habe ich doch keine derart wilde Fantasie, oder? Mein übriges Selbst ist schlicht empört. »Unserer Bestimmung nach sind wir Kurtisanen und Gefährtinnen, keine Meuchelmörderinnen! Wer hat uns das angetan?«
»Niemand«, erwidert Juliette traurig. »Nur wir selbst. Und all das wegen dieses einen Geburtstags. Besser gesagt: Es ist Rhea , die uns das antut. Sie ist immer noch da draußen …«
Plötzlich Lärm und Licht.
Sofort bin ich hellwach und hebe einen Arm, um meine allzu großen Augen vor der blendenden Helligkeit zu schützen. »Was soll das?«, frage ich und stütze mich mit einem Arm auf.
»Raus aus den Federn, große Transuse.« Eine zwergwüchsige Gestalt steht an der Zimmertür. »Die Gnädigste möchte dich in dreißig Minuten geschniegelt und gestriegelt sehen. Der Tanz beginnt, sobald es dämmert.«
»Ach, zum …« Um nicht aus der Rolle zu fallen, unterdrücke ich einen von Juliettes Flüchen. »Kümmere dich um mein Gepäck, Diener. – Ich komme, wenn ich selbst so weit bin«, setze ich in affektiertem, herrischem (vielleicht auch nur rotzfrechem) Ton nach, während Bill oder Ben wartend an der Tür stehen bleibt. Zu meiner Rolle gehört Gelassenheit, auch wenn ich vor Ungeduld und Vorfreude völlig zappelig bin. Das Spiel kann beginnen!
Doch bei Raumreisen lauten die Spielregeln erst beeilen, dann abwarten , und so ist es auch diesmal, zumindest in den ersten Stunden. Da die Strecke bis zu Eris zehnmal länger ist, als ich jemals
geflogen bin, frage ich mich beim Warten, wie schlimm es wohl werden wird.
Arbeitssklaven bringen mich zur Wartehalle des Flugplatzes und danach zu einem geräumigen Shuttle – zusammen mit meinem Gepäck (ob man es aus dem Hotel geholt oder hier kopiert hat, weiß ich nicht), Bill und Ben (wie hat Granita es nur angestellt, sie hierher zu schaffen? Auch das ist eine interessante Frage) und Granita selbst (die von einem halben Dutzend kleiner bösartiger Höflinge begleitet wird). Unter Granitas reserviertem Blick betreibt der Tross artig Konversation und schlürft Cocktails, während die Raumfähre mit einem halben g zur Umlaufbahn emporsteigt. Zum Glück scheinen die Höflinge an mir nicht sonderlich interessiert zu sein, schließlich bin ich nicht ihre Gebieterin. Und dafür bin ich sehr dankbar, denn mein Vorrat an unverbindlichem Gesprächsstoff hat sich durch Granitas betont kühles Verhalten mir gegenüber erschöpft. Falls mir jetzt irgendein Sack auf die Nerven ginge, würde ich ihn vermutlich in mehr als metaphorischem Sinne schneiden.
Raumreisen sind … Nein, das habe ich bereits erwähnt. Nach einigen endlos langweiligen Stunden kommt schließlich die Durchsage: »Bitte kehren Sie zu Ihren Plätzen zurück und verstauen Sie Ihr Handgepäck. In rund zehn Minuten legen wir am Ikarus-Express an. Nach der Ankunft werden die
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