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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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du mit bloßen Händen jemanden töten?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, sage ich zögernd und lehne mich gegen sie. Ich habe das seltsame, unangenehme Gefühl, dass ich es könnte, hätte sie meiner Seele nicht den Stempel ihrer Eigentümerschaft aufgedrückt. Ich kann die brennende Wut dieses anderen potenziellen Ichs fast spüren, das in meinem Hinterkopf zitternd an der Kette liegt. (Und dieses Ich könnte sogar Granita töten, die ich doch anbete.) »Unter bestimmten Bedingungen schon, glaube ich. Wen hast du denn im Sinn?«
    »Das wirst du schon sehen.« Sie fährt mit der Zunge über mein Ohrläppchen. »Aber jetzt noch nicht.« Als sie sich an mich
drängt, höre ich irgendwo in der Ferne Alarmglocken schrillen. Mir ist heiß und gleichzeitig kalt. Ich bin wie gelähmt, doch nicht nur vor Erregung und Vorfreude, sondern auch von etwas anderem – einer Erkenntnis, die immer mehr zur Gewissheit wird. »Falls du möchtest, kannst du mich jetzt küssen, Kate.«
    Langsam wende ich ihr mein Gesicht zu und lasse meine Lippen über ihre weichen, samtigen Wangen gleiten, bis ich ihren Mund spüre. Ihre kaum gezügelte sexuelle Lust reißt mich mit. Für mich ist es eine enorme Erleichterung, wieder gebraucht und begehrt zu werden.
    Während sie nach und nach die Verschlüsse meiner Kleidung löst, überwältigt mich die körperliche Erregung, und zum ersten Mal seit meiner Ankunft auf dieser vom Schöpfer verlassenen Eiskugel fühle ich mich restlos glücklich. Doch als sie mich auf dieser kreisrunden Bank unter den gnadenlos strahlenden Sternen sanft auf den Rücken dreht, setzt sich in mir ein böses Virus fest: Misstrauen. Ich weiß nicht genau, wann es mir zum ersten Mal aufgefallen ist, aber jetzt bin ich mir völlig sicher: Diese reiche, schreckliche, zynische Aristokratin mit der scharfen Zunge ist nicht dieselbe Person, die in ihrer Privatkabine auf der Pygmalion vor mir katzbuckelte. Es mag Granita Ford gewesen sein, die mich als Rechtsperson liquidiert, in die Insolvenz getrieben und mein hilfloses Gehirn mit dem Zeichen ihrer Eigentümerschaft gebrandmarkt hat, aber die Frau in meinen Armen, die Granitas Gesicht trägt und ihr Anwesen vereinnahmt hat, ist jemand anderes.

revision meiner ansichten
    AM NÄCHSTEN TAG HÄLT GRANITA sich nicht in ihrem Palast auf. Am Folgetag ist sie zwar wieder da, spricht aber mit keinem Wort an, was in der Aussichtskuppel zwischen uns vorgefallen ist. Es ist so, als wäre es niemals passiert. Ich kann nicht behaupten, dass ihr Verhalten mich überrascht: Es ist eine nicht ungewöhnliche Reaktion am »Morgen danach«. Dennoch bin ich nach all diesen geflüsterten Koseworten leicht verletzt. Der Abend hat bei mir Knutschflecken und Gliederschmerzen hinterlassen, doch beides verschwindet bald darauf.
    Offiziell habe ich im Moment nichts zu tun – wie soll man sich auch darin üben, einen Schöpfer zu lenken? -, aber in einem der Kellergeschosse gibt es eine gut ausgestattete Trainingshalle, und zu deren Einrichtungen gehört auch ein Übungssaal, in dem man jede Menge Zombies niedermetzeln kann. Ich mache reichlich Gebrauch davon und trainiere fast bis zur Erschöpfung. Schließlich muss ich sogar die hauseigene Reparaturwerkstatt aufsuchen. Doch nach dreitägigen Übungen habe ich die Gewissheit, dass sich Juliettes Reflexe bei mir eingepflanzt haben. Es ist fast schon unheimlich, wie ich auf kaum registrierbare Bewegungen in einer Weise reagiere, die ich früher nicht an mir kannte. Deshalb muss ich aufpassen, wenn ich mich in die allgemein zugänglichen Übungsräume vorwage, in denen Granitas träger Stab von Arschleckern Hof hält.
    Inzwischen träume ich ständig von Juliette. Meistens ist es das Übliche: Flashbacks und inkohärente Erinnerungen an die eher aufregenden und unangenehmen Ereignisse in ihrem Leben, in
dem so viel passierte, dass es für eine ganze Sippe ausgereicht hätte. Aber manchmal ist es auch so, als säße ich hinter einem schweren Vorhang und sie unmittelbar davor, und dann lausche ich auf das, was sie sagt. Dabei habe ich das überaus befremdliche Gefühl, dass sie durch den Vorhang blicken kann und weiß, was mir geschieht, als ob der Austausch von Erinnerungen wechselseitig funktionierte. Mag sein, dass das gar nichts weiter zu bedeuten hat. Schließlich habe ich ihren Seelenchip so lange in mir getragen, dass ich von ihrer inneren Stimme mehr mitbekommen habe, als mir verstorbene Schwestern normalerweise übermitteln. Deswegen und wohl auch,

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