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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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ich gerade den Treiber für Ihr Elektrosprachsystem angeschlossen. Alles in Ordnung?«
    Ich winde mich hin und her. Nein, denke ich unglücklich. »Ist das hier wirklich nötig?«

    »Ja, es sei denn, es ist Ihnen egal, ob Sie eine Belastung von sechzig g überstehen oder nicht.« Ich spüre, wie Flüssigkeit in das Versorgungssystem in meinem Bauchraum sickert. »Gut so, gleich sind Sie druckfest.«
    »Wie ist es denn in der Zweiten Klasse?«, frage ich, um mich abzulenken.
    »Ein bisschen eng. Ich hatte alle Mühe, die Höflinge übereinander unterzubringen. Offenbar reist Madame Ford gern mit einem recht großen Tross.«
    Groß? Nach den Maßstäben der Aristos ist er verschwindend klein. »Was meinen Sie damit?«, frage ich naiv. Inzwischen fühlt sich der unterstützende Sprachtreiber schon natürlicher an, zumindest im Vergleich zu dem, was sonst noch mit mir geschieht. (Was nicht viel besagt.)
    »Groß, wenn man bedenkt, dass Madame Ford neuntausend Real pro Kilogramm Ladung bezahlt …«
    Ich versuche zu blinzeln, doch ganz nebenbei hat Ikarus auch noch winzige Sonden hinter meine Augäpfel geschoben, die meine Okularregler blockieren. »Heißt das, sie zahlt Ihnen mehr als eine halbe Million für ein Bondage-Szenario, in der Fühler die Vergewaltigung übernehmen?« Ich arbeite eindeutig in der falschen Branche…
    »Nein, sie zahlt mir mehr als eine halbe Million dafür, dass ich Sie alle lebendig auf Eris abliefere. Wenn Sie mich jetzt für ein paar Minuten entschuldigen würden? Ich habe einen Nuklearantrieb zu überwachen.«

    Ich liege schon Stunden einsam und bewegungsunfähig in meiner Zelle, als mein Sichtfeld für einen Moment schwarz wird. Als es sich wieder aufhellt, zeigt es eine Außenansicht. Zum ersten Mal sehe ich die Ikarus in ihrer ganzen Pracht und schnappe nach Luft – oder würde es tun, wenn ich es könnte. Ikarus, der Pilot, hat das Blickfeld der Passagiere mit einem äußeren Überwachungssatelliten
verbunden, damit wir den Start aus Panorama-Perspektive miterleben können. Am Bug ist das große Raumschiff mit dem mir schon vertrauten Magnetsegel ausgestattet, allerdings ist der Frachtraum winzig, wie mir der in mein System integrierte Sinn für Größenmaßstäbe verrät. Die ganze Nutzlast ist in einer etwa fünf Meter hohen und fünf Meter breiten Trommel untergebracht, die sich oberhalb einer komplizierten Maschinerie und eines länglichen Zylindertanks befindet. (Darunter ist Kallisto als riesige dunkle Halbkugel auszumachen, während sich Jupiter in grellem Orange oberhalb des Schiffes wölbt.) Hinter dem Tank erkenne ich Abschirmvorrichtungen und eine lange Rohrleitung. Und noch etwas, das nach einer Raketendüse aussieht. Ich könnte schwören, dass dieses Ding glüht .
    »Achtung, Passagiere«, meldet sich Ikarus. »Wir werden gleich starten. Inzwischen müssten Sie alle fest angegurtet sein. Falls nicht, haben Sie Pech gehabt, denn die kritische Masse wird in fünf Sekunden erreicht sein und eine Kettenreaktion auslösen. Vier, drei, zwei …«
    Habt ihr schon einmal eine Kernexplosion aus der Nähe beobachtet? Im Vakuum, wo sie in unheimlichem Ultraviolett leuchtet, verschönt durch sanfte Röntgenstrahlen? Wo das Licht so gebündelt und sternenhell ist, als hätte jemand ein Loch ins Universum gebrannt, um den Urknall hineinzulassen? Und jetzt stellt euch vor, dass eine solche Kernexplosion achtern, an einem Schiffsheck, von einer Lavaldüse aus erfolgt. Es ist so, als würde sich ein laserartiger Blitz mit annähernder Lichtgeschwindigkeit entladen – ein überaus greller, schnurgerader Blitz, der das Universum in zwei Hälften spaltet.
    Die Ikarus hebt mittels eines nuklearen Salz-Wasser-Antriebs ab. Dabei handelt es sich um einen ausgeklügelten, gefährlichen und wahnsinnig leistungsstarken Kernspaltantrieb. Die treibende Kraft ist um zwanzig Prozent angereichertes Uran, als Uran-Tetrabromid in Wasser gelöst, vergleichbar mit dem Salzgehalt in Meerwasser. Sobald die Masse kritisch wird, kommt es zu nuklearen Kettenreaktionen. Bei voller Schubkraft wird dabei mehr
Energie freigesetzt als von allen Kraftwerken Kallistos zusammengenommen, und falls eine Treibstoffpumpe blockiert oder ein Treibstofftank beschädigt wird und die Explosion innerhalb statt außerhalb der Reaktionskammer erfolgt, wird sie uns halbwegs zu Neptun hinauskatapultieren. Doch Ikarus weiß, was er tut. Nichts läuft schief – und schon Sekunden nach Zündung der Rakete entschwinden wir in die

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