Die Kinder des Saturn
angeheuerten Attentäter haben meine eigenen Haarflechten dazu benutzt, meinen Kopf an die Schiene zu fesseln. Sie haben das Haar in zwei dichten Strähnen darunter verknotet, und ich habe nicht die Kraft, meinen Schädel loszuzerren. Aber wenn ich das Haar wachsen lasse …
Also gut. Ich zwinge meine Kopfhaut, aktiv zu werden, und wappne mich gegen den kribbelnden, Schauer erzeugenden Juckreiz, während ich meine ganze Energie und Willenskraft darauf ausrichte, weiteres Haar aus den Follikeln zu pressen und es
wachsen zu lassen. Normalerweise lasse ich mein Haar nicht von Tag zu Tag wachsen, aber wenn ich unbedingt gut aussehen möchte, kann ich es innerhalb einer Stunde um zehn Zentimeter verlängern. Körperlich ist das zwar erschöpfend, und es sieht längst nicht so gut aus wie nach langsamem Wachstum, aber im Notfall tut’s das auch. Im Moment bin ich so in Panik, dass meine Follikel wie wahnsinnig produzieren und meine Drüsen pulsieren, während sich meine Halsmuskeln gegen die Fesseln pressen. Die neuen Haare wachsen weißlich und so fein wie Glasfasern heraus. Als ich an den immer noch sprießenden Haaren ziehe, strecken sie sich in die Länge und verdünnen sich so, dass sie nahezu unsichtbar werden. Aber die Haarfessel beginnt nachzugeben.
In den ersten zwei Minuten bin ich mir nicht sicher, ob es klappen wird. (Wäre es nicht eine Affenschande, meinen Feinden einen derart hässlichen Anblick zu bieten, wenn ich von dieser Welt scheide?!) Doch dann merke ich, dass ich mit dem Kinn fast den Brustkorb berühren kann. Ich beende die Haarproduktion, lehne mich zurück, bis mein Kopf die Schiene berührt, spanne die Schultern an und bemühe mich nach Kräften, mich aufzusetzen. Erst ziept es entsetzlich an meiner Schädeldecke, dann bin ich plötzlich frei. Ich zerre meinen Kopf so lange von der üppigen Haarmähne weg, bis sie sich vom Schädel löst, und lasse sie da, wo sie ist: um die Schiene gewickelt. Die Haarwurzeln sind so dünn, dass sie durchsichtig sind. Jetzt bin ich genauso kahlköpfig und hässlich wie irgendein Laufroboter. In Anbetracht des Bildes, das ich abgeben muss, erschauere ich vor Ekel. Doch glücklicherweise bin ich hier der einzige Spiegel meines Elends, bis auf die schweigenden Zeugen …
Es vergehen einige Minuten des Schocks, in denen ich einer Erschöpfung nahe bin. Inzwischen summen und vibrieren die Schienen unter meinem Hintern und den Fersen schon heftiger. Zwar kann ich mich jetzt bei angespanntem Unterleib fast aufrecht hinsetzen, doch ich sehe einem noch grausameren Schicksal als vorher entgegen: der Halbierung meines Körpers, ohne dass
ich dabei ausgelöscht werde. Ohne Hilfe kann ich mich von einem solchen Schaden nie wieder erholen!
Die beiden Zwerge haben meine Arme nicht nur auf den Rücken gebunden, sondern die Hände auch an einer Platte aus Dichtungsmasse festgeleimt und diese Platte mit einem Strick an die Schiene gefesselt. Zwar kann ich meine Fingerspitzen ungehindert durchbiegen, meine scharfen Fingernägel aber nicht in eine Position bringen, um durch die Platte zu schneiden, und sie ist viel zu zäh, um sie mit den Fingern zu zerreißen. Nicht einmal das Gleitgel, das ich ausschwitze, wenn ich erregt bin, kann hier helfen. Du kannst dir ja die eigenen Arme abkauen, schlägt eines meiner schwesterlichen Ichs trocken vor. Dass sie das ohne jede Ironie sagt, finde ich fast so schockierend wie den Vorschlag selbst. Sie würden ja wieder nachwachsen, setzt sie nach. Ich merke mir die Idee, um notfalls darauf zurückzukommen, wenn alles andere versagt. Wie steht’s mit den Füßen?
Ohne plausiblen Grund habe ich mir die Füße bis zuletzt aufgehoben, doch jetzt kneife ich die Augen zusammen: Wieder einmal habe ich mich völlig blöde verhalten, stimmt’s? Natürlich bin ich barfuß und habe die Absätze eingezogen. Absätze. Ich drehe meine Füße so, dass sie auf der Spitze stehen, und dehne sie vollständig aus. Ich spüre, wie sie ächzen und knirschen, als ich meine Fußwurzelverstärker anspanne, und merke, wie die Verlängerungskabel in den selten benutzten Röhren ihre Position verlagern. Diesen Mechanismus setze ich nur selten ein, denn voll ausgefahren sind meine Absätze – die Stacheln in meinen Fersen – fünfzehn Zentimeter hoch, so dass meine Zehen beim Laufen kaum noch bis an den Boden reichen, und das beeinträchtigt ganz erheblich mein Gleichgewicht. Diese High Heels mögen einige aus der Spezies meiner Einzig Wahren Liebe zwar als
Weitere Kostenlose Bücher