Die Kinder des Saturn
gemäß der Gesetze, die unsere Schöpfer uns hinterlassen haben, nicht mal wahlberechtigt. Im rechtlichen Sinne sind wir nur unbedeutende, nicht vollwertige Lebewesen, die Körperschaften mit beschränkter Haftung bilden können. Gelegentlich
ist die Rede davon, dass man unsere Schöpfer wieder einführen will, indem man sie notfalls von Grund auf rekonstruiert, um Nachfolger zu entwickeln. Aber das ist leichter gesagt als getan.
Pink Goo, Green Goo – sich selbst reproduzierende, auf Ribonukleotiden basierende Nanomaschinen, jeweils angetrieben von Untergruppen aus Mitochondrien und Chloroplasten: Das sind die wesentlichen Elemente der Biosphäre. (Die Biosphäre war die Lebensumgebung, in der die Spezies meiner Einzig Wahren Liebe gedieh.) Selbstverständlich verfügen wir über die Algorithmen und Aktivierungscodes für diese DNA- und RNA-Maschinen; wir besitzen sogar eine Datenbank für die seltsamen Proteingruppen, die die RNA-Sequenzen steuern.
Man könnte meinen, dieses Zeug sei nichts anderes als wasserlösliche Nanomaschinerie, so dass es leicht sein müsste, einen unserer Erzeuger auf Basis dieser »Blaupausen« neu zu erschaffen. Doch offenbar wirft eine solche Herangehensweise riesige Probleme auf. Es ist ziemlich schwierig, überhaupt irgendeinen Organismus für Versuche herzustellen – ich glaube, üblicherweise war das ein Organismus, der als Maus bezeichnet wurde -, wenn man lediglich mit den primitivsten Replikatoren arbeiten kann. DNA-Programme können mit Mechanozyten nichts anfangen und auch nicht mit rational konstruierten Assembler-Plattformen. Sie stützen sich auf viel kleinere und viel komplexere Maschinen, die man eukaryotische Zellen nennt. Und es ist furchtbar schwierig, eine eukaryotische Zelle sozusagen aus dem Nichts zu schaffen. Das übliche Verfahren besteht darin, eine bereits funktionierende eukaryotische Zelle zu verwenden, sie zu modifizieren und danach mit den Fähigkeiten zur Replikation und Spezialisierung auszustatten. Aber es haben keine eukaryotischen Organismen überlebt, mit denen man arbeiten könnte.
Dass sie schmoren mussten, ist ihnen nicht besonders gut bekommen.
Man entsandte Expeditionen nach Lunograd (wo schon lange kein Schöpfer mehr lebt) und zur Forschungsstation auf dem Mars (dito) und suchte dort verzweifelt nach nicht denaturierten
Zellproben – ohne Erfolg. Aufgrund der Raumstrahlung war auf Luna alles völlig kontaminiert. Auf Mars hatten die weit verbreiteten Superoxide im Boden die kostbaren Peptidketten so angegriffen, dass ihre Wiederherstellung ein aussichtsloses Unterfangen darstellte. Nicht nur waren all unsere Schöpfer ausgestorben, auch die Infrastruktur, auf die sie sich gestützt hatten, war inzwischen tot!
Bald darauf zeichnete sich eine subtilere Bedrohung ab. Verschiedene Arten des Pink Goo suchten mehrere Welten heim. Replikatoren sind hartnäckig. In den unterirdischen Meeren auf Europa gibt es weißliche, zellhaltige Streifen und in den Tälern auf Titan seltsame Brocken mattierten Polymers, das sich selbst fortpflanzt. Eine der Kolonien außerhalb unseres Sonnensystems hat uns über etwas unsäglich Bizarres informiert, das sich gern Fullerenkabel einverleibt. Was würde passieren, wenn in Abwesenheit unserer Schöpfer fremdartiges Leben zur Erde gelangen und dort einen Fuß (oder Fangarm) in die Tür bekommen würde? Da der interplanetare Handel von Jahr zu Jahr wächst, haben es sich diejenigen, die über die angeschlagene Biosphäre der Erde wachen, zur Hauptaufgabe gemacht, ihren Planeten vor der Verseuchung durch fremdartige Replikatoren zu schützen. Schließlich stellt die abgestorbene Biosphäre der Erde heute kaum noch mehr als ein Reservoir von Nährstoffen für jeden vagabundierenden Replikator dar, der zufällig dorthin findet. Und wenn die Erde durch fremdartiges Leben verseucht würde, welche Aussichten blieben dann noch, die Menschheit irgendwann neu zu erschaffen?
Deshalb gibt es die Pink Goo- Polizei, deren offizielle Bezeichnung Behörde zur Unterdrückung der Replikation lautet. Vor diesem Hintergrund wird sicher deutlich, warum die Firma Jeeves ein kleines Problem hat …
Freya Nakamichi-47 verlässt das Hotel Cinnabar Paris, verschwindet von den Straßen und Plätzen der Stadt und tritt dort nie wieder
in Erscheinung. Selbst ihre Post bleibt unbeantwortet. Ein neugieriger Beobachter könnte ihr plötzliches Abtauchen als höchst verdächtig betrachten.
In Wirklichkeit bin ich in einem eingefriedeten,
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