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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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geschützten Apartmentkomplex einquartiert, der ringsum von der zerfallenden Architektur eines gewissen dahinsiechenden Bürohochhauses am Rande des Geschäftsviertels umgeben ist. Ich bin hier, weil meine Auftraggeber mich für den bevorstehenden Einsatz ausrüsten und ausbilden wollen. Dass ich nichts von Emma (oder auch Victor) höre, macht mir schwer zu schaffen, aber Jeeves sagt, ich dürfe jetzt nicht aus der Deckung auftauchen. Ich ringe ihm das Versprechen ab, die Post an meiner Stelle entgegenzunehmen und an mich weiterzuleiten. Und so finde ich mich damit ab, die Sache seinen kompetenten Händen zu überlassen.
    Weg mit dem alten Stil, her mit dem neuen! Meine frisch nachgewachsenen roten Haarstoppel müssen fallen und werden durch eine üppige blonde Haarmähne ersetzt. (Meine Augenbrauen und die anderen synthetischen Haarbälge muss ich zupfen beziehungsweise neu programmieren, damit sie zum Kopfhaar passen. Autsch! ) Jeeves’ handzahmer Operateur, Dr. Knox, kommt irgendwann zu Besuch. Als er mich zwei Tage später wieder verlässt, sind meine Augen saphirblau und doppelt so groß wie zuvor. Mein Bauch schmerzt, meine Knopfnase hat sich in eine Stupsnase verwandelt, und meine Ohren laufen unverkennbar spitz zu. Ich übe mich darin, mich wie eine Aristo zu bewegen. »Verdammte Elfen«, grummelt Oscar, der Sicherheitschef der Wohnanlage, wenn er meint, ich könne ihn nicht hören. Natürlich ist das nicht ganz ernst gemeint. Er weiß ja, dass ich in Wirklichkeit keine Aristo, Chibi oder Bishojo bin. Dennoch verletzt es mich ein wenig, wenn er so etwas sagt.
    Du musst dich so anziehen, so gehen, so sprechen! Die ehrenwerte Lady Katherine Sorico, durch und durch Aristo, ist eine elfenhafte Bishojo-Prinzessin. Sie gehört einer der ersten Sippen an, die es schafften, sich von Zwangsarbeit freizukaufen und den Sprung vom Sklaven zum Sklavenhalter zu machen. Genau diese
Sippe bildet in unserer schönen neuen Welt mit ihrer barbarischen Ordnung die herrschende Kaste. (Klinge ich etwa verbittert? Ha!) Katherine Sorico ist älter als ich, hat tadellose Umgangsformen, stammt aus einer Familie von Diplomaten und Dominas und ist wie geschaffen dafür, über andere zu gebieten. Zumindest täuscht ihr Auftreten in der Öffentlichkeit das vor. Denn in Wirklichkeit existiert Kate Sorico gar nicht. Sie zog sich vor etwa zwanzig Jahren aus der vornehmen Gesellschaft zurück in die Einsiedelei, wo zwei entlaufene Sklaven ihrem Leben ein sehr unschönes Ende setzten. Wieso das Verbrechen nicht entdeckt wurde und auf welche Weise Jeeves an ihre persönlichen Unterlagen und Dokumente gelangte, ist mir ein Rätsel. Allerdings ist sie eine derart widerliche Person, dass es mir eigentlich auch völlig egal ist. Mir fällt es ziemlich schwer, in die Rolle von Katherine Sorico zu schlüpfen, ob mit oder ohne Publikum. In diesem Quartier habe ich ja kaum andere Leute als Jeeves um mich. Und da ich mich damit beschäftigen muss, meinen Text zu lernen und nicht aus der Rolle zu fallen, pflege ich auch keinen Umgang mit anderen Bewohnern, zumal Katherine Sorico sowieso lieber tot umfallen würde, als sich mit ihnen abzugeben.
    »Wenn Sie einen Raum betreten, erinnern Sie sich möglichst daran, dass Sie über jeden darin verfügen können«, ruft mir Miss Rutherford nachdrücklich ins Gedächtnis, wenn ich meine Rolle halbwegs verpatze und einen Moment lang nicht auf der Hut bin. Sie ist eine uralte Lehrerin, deren Gelenke knirschen und knacken, und beobachtet mich aus ihrer Ecke heraus mit unnachsichtiger Strenge. Wir proben in einem Speisezimmer im dritten Stock, das in einen öffentlichen Empfangsraum umgewandelt wurde. Als Statisten hat Jeeves stumpfsinnige Zombies angeheuert. (All das zu dem einzigen Zweck, mir gesellschaftlichen Schliff zu verleihen.) »Sie stehen nicht nur im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, sondern sind auch der Grund dafür, dass alle anderen überhaupt hier erschienen sind.« Ich blinzle mit meinen viel zu großen Augen (sie kommen mir merkwürdig angespannt und aufgebläht vor, als wollten sie mir gleich aus dem Kopf quellen)
und versuche mir die Anweisungen zu merken. Das gewünschte Verhalten gibt mir zwar keine besonderen Rätsel auf, fällt mir aber trotzdem schwer. Natürlich weiß ich, wie sich eine Dame verhält – weibliche Verhaltensweisen gehören zu meinem Repertoire und sind auf Wunsch abrufbar -, dennoch ist es ein großer Unterschied, ob man nur Aufmerksamkeit erregen will oder Gehorsam

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