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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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zahlenden Passagieren aus dem Weg zu hüpfen. Doch wenn ich allein mit ihnen bin … Mir bleibt keine Privatsphäre. Wäre ich wirklich eine
Aristo, würde ich die beiden abschalten, wenn ich ungestört sein möchte. Und wären sie echte Arbeitssklaven, hätten sie keine andere Wahl, als das hinzunehmen. Schon ein oder zwei Tage nach dem Abflug haben sie mich so weit gebracht, dass ich genau das gern tun würde, und das liegt nicht nur an ihrem Sarkasmus und ihren hinterhältigen Kommentaren. Ich selbst darf niemals aus der Rolle einer gebieterischen aristokratischen Zicke fallen, und sie sind meine Diener. Und das heißt, dass ich im besten Fall kühl und förmlich mit ihnen umgehe und im schlimmsten Fall gereizt und feindselig. Im Unterschied zu einer echten Aristo, die den Schlüssel zu ihren Seelen besäße, das heißt ihre Chips kontrollieren könnte, habe ich keinen Zugriff auf sie. Die einzigen Seelen, über die ich verfügen kann, sind meine eigene und diejenige, die ich nach außen hin zur Schau stelle. Mein Seelenfriedhof reist in meinem Gepäck mit und ist weggesperrt. Erst nach einer heftigen Auseinandersetzung konnte ich Jeeves die Erlaubnis abringen, den Seelenfriedhof überhaupt auf die Reise mitzunehmen. Er war dagegen, denn er hält das für ein Sicherheitsrisiko.
    Doch genug davon.

    Die Pygmalion ist ein schneller, mit Solarsegeln ausgerüsteter Klipper, der auf der ganzen Reise fast ein Hundertstel g aufrechterhalten kann. Anders als üblich hat das Schiff kein Zwischendeck, in dem sich die Passagiere wie die Ölsardinen stapeln. Vielmehr sind sämtliche Reisende in einer luftigen, leichtgewichtigen Blase untergebracht, deren Durchmesser fast zwanzig Meter beträgt. Alles ist hier darauf ausgerichtet, den Gästen Komfort und Unterhaltung zu bieten. Selbstverständlich sind nur Erste-Klasse-Passagiere und ihre Bediensteten an Bord. Niemand stellt mein Anrecht auf einen Platz in dieser Klasse infrage, schließlich bin ich die ehrenwerte Lady Katherine Sorico, die mit zwei Angehörigen ihres Haushalts von einem Geschäftstermin auf Cinnabar
kommt und zu den winterlichen Urlaubsgebieten am Olympus Mons auf dem Mars unterwegs ist. Trotzdem halte ich Abstand, bleibe die meiste Zeit über in einer Ecke des Großen Salons sitzen und beobachte stillschweigend die anderen Passagiere, während ich endlose Partien von Solitär gegen mich selbst spiele.
    Der Grund unseres vorzeitigen Aufbruchs hält am anderen Ende des Salons Hof, begleitet von einem engen Zirkel aus fünf Höflingen oder Hofnarren, die ihre Gebieterin während der langen Reise bei Laune halten sollen. Die ehrwürdige Granita Ford steht für altes Geld, etwa so altes, wie es innerhalb unserer Sippen überhaupt denkbar ist. Sie hat ihr Vermögen fast unmittelbar nach dem Tod unserer Schöpfer erworben, und das ist ihr auch anzumerken. (Eines der Übel, die Rhea uns hinterlassen hat, ist unser peinlich guter Geschmack – peinlich nicht zuletzt deshalb, weil man ihn so schnell beleidigen kann.)
    Selbstverständlich sieht Granita aus wie ein Mensch. Die meisten der frühen Aristos stammen von Sippen ab, die unsere Erzeuger bei gesellschaftlichen Anlässen vertraten, als Sekretäre oder Ansprechpartner agierten, und deshalb entsprachen sie ihren Gebietern auch im Körperbau. Allerdings weist Granita genau wie ich (in der jetzigen Verkleidung) Bishojo-Züge, einen farbenprächtigen Federschmuck und eine ebenmäßige Haut ohne jede Oberflächenstruktur auf, und das verrät, dass sie kein biologischer Organismus, sondern ein Anime ist. Sie und meine Rachegöttin auf Venus stehen sich hinsichtlich ihrer Bösartigkeit in nichts nach und könnten gut und gern als Zwillinge durchgehen. So unauffällig wie möglich mustere ich Granita aus den Augenwinkeln heraus. Gerade lacht sie über einen Witz, den einer ihrer Hofnarren gerissen hat, und klopft sich dabei sogar auf die Schenkel. Doch ihre Augen lächeln niemals mit.
    In der Mitte des Salons schweben die zweitwichtigsten Potentaten an Bord und halten würdevoll Abstand zu den anderen, denn das kriecherische Verhalten ihrer Geschäftspartner ist ihnen zuwider. Die Lyrae-Zwillinge sind die einzigen Überlebenden einer einzigartigen Sippe – einer Gruppe wissenschaftlicher Forscher
– und haben ihren Reichtum durch Patentpiraterie erworben. Ihre Schädel sind mit Anschlussbuchsen für irgendwelche Geräte übersät, doch inzwischen dienen die Buchsen ihnen nur noch zum Einstöpseln von Seelenchips ihrer

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