Die Kinder des Saturn
Wirklichkeit habe ich solche Angst, dass meine Haut sich gerötet hat und bebt. Schlimm genug, dass Petes Gebieterin drauf und dran ist, vor Wut völlig auszurasten und ihren Arbeitssklaven zu befehlen, mich umzubringen (ganz zu schweigen davon, dass sie all die von mir sorgfältig vorbereiteten langfristigen Pläne damit zu Fall bringen wird). Doch all das ist trivial im Vergleich zu der entsetzlichen Perspektive, Pete so schnell wieder zu verlieren, nachdem ich ihn doch gerade erst gefunden habe. (Und ein Blick aus dem Augenwinkel verrät mir, dass ich vielleicht schon dabei bin: Er schreckt vor meiner plötzlich veränderten Gestalt zurück. Die wechselseitige Reaktion auf unsere jeweiligen Pheromone hat die Liebe genährt, die so heiß zwischen uns entflammt ist. Wird er sich von
mir distanzieren, wenn ich so weit von ihm entfernt stehe, dass er meinen Duft nicht riechen kann?)
SIE scheint gar nicht zu merken, dass ich nur bluffe. Unvermittelt zuckt ihr Kinn nach oben. »Ich weiß, dass Sie behaupten, ›Katherine Sorico‹ zu sein. Und ich weiß auch, was Sie in Wirklichkeit sind: eine Hochstaplerin «, setzt sie für ihr zwergwüchsiges Publikum nach. »Verschwinden Sie aus meinem Haus, ehe ich die Beherrschung verliere, geiles Miststück!«
Ich starre sie verblüfft an. Will sie mich tatsächlich ziehen lassen? Ich mache mich daran, meine Kleidungsstücke einzusammeln, doch sie schüttelt den Kopf, und vor mir baut sich einer ihrer Leibwächter mit gezückter Waffe auf. »Sie sollten Ihr Glück nicht überstrapazieren.«
Während ich einen Schritt zurückweiche, schwebt sie vorwärts, ins Treibhaus hinein, und ihre Wächter umzingeln mich gemeinsam mit ihr, so dass ich gezwungen bin, durch die offene Tür den Rückzug anzutreten. Ihr Gesicht verzieht sich zu einem verkrampften Lächeln. »Ich besitze das, was Sie begehren, mein Kind. Wenn Sie ohne meine Erlaubnis hierher zurückkehren, werde ich ihn vor Ihren Augen kaputt machen – und danach sind Sie dran. Das sollten Sie nie vergessen. Und jetzt raus hier, ehe ich es mir anders überlege.« Ihr Lächeln nimmt einen hässlichen Zug an. »Und denken Sie immer daran, dass ich weiß, was Sie sind, Juliette.«
Während ich in den Irrgarten hinausstolpere, koche ich innerlich vor Wut, empfinde aber auch Demütigung, Furcht und etwas Schreckliches, Neues, das ich nicht recht benennen kann. Den Auftrag habe ich in den Sand gesetzt, aber jetzt habe ich ein neues Ziel.
Das einzige Problem besteht darin, dass ich nicht genau weiß, ob ich ein solches Ziel überhaupt erreichen kann …
Nachdem ich schaudernd aus diesem Traum aufgewacht bin, ist es mir so gut wie unmöglich, wieder einzuschlafen. Ich komme
mir ausgesprochen dumm vor und bin erschöpft. Benötige ich weitere kosmetische Eingriffe? Selbstverständlich ist meine gegenwärtige Tarnung nutzlos. (Und warum hat Juliette Jeeves nicht gesagt, dass Katherine Soricos Legende aufgeflogen ist? Oder hat sie es womöglich sogar getan?, fragt sich ein paranoider Teil von mir.) Zumindest weiß ich jetzt, weshalb Stone und die Domina hinter mir her sind. Es war einfach nur Pech, dass sie sich auf Venus aufhielt und Stone mich als zu Juliettes Sippe gehörig erkannte. Typisch für eine Aristo, einer Rivalin eine Botschaft zu übermitteln, indem sie deren unschuldige Schwester tötet – genauer gesagt: zu töten versucht.
Und was die Ereignisse an Bord der Pygmalion betrifft … Ich rufe eine Erinnerung an die Domina – Petes Eigentümerin – auf. Jetzt bin ich mir sicher, dass sie eine von Granitas Schwestern ist. Sie sehen sich so ähnlich, dass das kein Zufall sein kann. Granita, die beiläufig meinen Körper, wenn nicht sogar meine Seele verführt hat, und ihren Speichelleckern später befahl, in die Richtung zu feuern, in der sie mich vermutete. Ich zucke zusammen. Wo bin ich da hineingestolpert? Falls Granita ihrer Schwester, der Domina, erzählt hat, dass sie Katherine Sorico auf einem Linienschiff zum Mars begegnet ist, und meine Tarnung als Maria Montes Kuo aufgeflogen ist, dann …
Warum will Jeeves, dass ich wochenlang kleinere Aufträge für ihn erledige, bis die Indefatigable startbereit ist – und das in einer Tarnung, die längst aufgeflogen ist?
Wie der Zeiger einer mechanischen Uhr umrunde ich das Zimmer mit großen Schritten und kaue auf einem Fingerknöchel herum, während ich intensiv nachdenke. Die Implikationen dieser Geschichte gefallen mir ganz und gar nicht, sind mir wirklich zuwider.
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