Die Kinder des Teufels (German Edition)
dir nicht verraten.»
«Warum nicht?»
«Weil ich es damit allen Pfaffen heimzahlen kann. Jeder einzelne von ihnen soll erfahren, wie es ist, schutzlos ausgeliefert zu sein. Genau wie wir, als wir noch ihre Schüler waren.»
«Aber es sind nicht alle gleich.»
«Jeder der ein Kreuz um den Hals trägt und Lateinisch spricht, ist unser Feind.»
Kathi wollte widersprechen, doch es fiel ihr niemand ein, den sie aus der Verantwortung für das Leid der Kinder hätte nehmen können. Im Gegenteil, sie würde gar ihren ehemaligen Meister, Apotheker Grein, in die Reihe der Schuldigen stellen. Zu den Stockschlägen, die sie von ihm bekam, hatte sie auf das Kruzifix zu blicken und in Latein das Vaterunser zu sprechen. Wann immer sie diese Sprache hörte, überfiel sie eine unstillbare Lust nach Vergeltung. Es war die Sprache der Unterdrücker und Misshandler, der Lügner und Verführer.
«Also habe ich recht», stellte Wilhelm fest. «Die Teufelskrankheit …»
Er brach mitten im Satz ab. Aus dem Dunkel hinter ihnen hatte er ein Geräusch gehört.
«Still», befahl er Georg und Adam. «Macht eure Kerzen aus. Da ist jemand.»
Die Kerzen erloschen, und die vier Kinder flüchteten in die Ecke neben der Hintertür. Wilhelm zog sein Messer und flüsterte den anderen beiden zu.
«Wenn er hereinkommt, stürzen wir uns auf ihn. Verstanden?»
Die Schritte kamen näher. «Barbara, bist du hier?»
Kathi traute ihren Ohren nicht. War das Otto? Was um alles in der Welt suchte er hier? Barbara?
Noch bevor sie ihn ansprechen konnte, kam er durch die Tür. Wilhelm stürzte sich auf ihn, gefolgt von Georg und Adam. Keiner der drei sah etwas, verließ sich allein auf sein Gefühl und sein Gehör. Im Tumult hagelte es Schläge. Wer hier wen traf, war nicht festzustellen. Allein das Wehklagen gab Gewissheit, dass jemand verletzt worden war.
Die Kerze war noch heiß, das Wiederanzünden gelang Kathi schnell. Sie hielt die Kerze über das am Boden kämpfende Knäuel, konnte aber nur Arme und Beine im wilden, ziellosen Schlagen erkennen.
«Hört auf!», rief sie. «Es ist Otto. Ein Freund.»
«Was?»
«Wer?»
«Kathi, bist du das?»
«Ja, jetzt hört endlich auf mit dem Unsinn.»
Sie ließen voneinander ab. Einer nach dem anderen kam auf die Beine. Wilhelm blutete aus der Nase, Otto hielt sich die Rippen und Adam das Ohr. Georg blieb unverletzt, bis auf eine zerrissene Hose.
«Otto, bist du verletzt?» Sie nahm ihn in den Arm.
«Nicht der Rede wert.»
Wilhelm hingegen streckte den Kopf nach hinten und hielt die Nase hoch. «Er hat mich geschlagen, diese Ratte.»
«Selbst schuld.»
Kathi eilte an den Herd, dort stand noch ein Topf mit Wasser, machte einen Lappen nass und legte ihn Wilhelm ins Genick. «Behalt das dort, das wird die Blutung stillen.»
Die anderen setzten sich auf den Boden, zündeten wieder ihre Kerzen an und schauten, ob sie noch weitere Verletzungen davongetragen hatten.
«Ich dachte, du bist in Babettes Hütte», fragte Otto erstaunt.
Er rieb sich die Rippen. Jemand musste ihn gebissen haben. Er schielte zornig hinüber zum kleinen Adam.
«Das war ich auch, bis die Landsknechte gekommen sind und den alten Ambrosius erschlagen haben. Dann mussten wir fliehen.»
«Aber wieso zurück in die Stadt?»
«Es ging nicht anders. Die Hunde der Landsknechte waren hinter uns her. Wir können von Glück sagen, dass wir bei den Schwarzen Banden untergekommen sind.»
Otto war sich da nicht so sicher. Ihre Gefährten waren noch schmutziger als er nach einer Woche Arbeit in der Schmiede. Und kämpfen konnten sie keinen Deut besser als alte Waschweiber. Beißen, wo gab’s denn so was?
«Und du, was machst du hier?», fragte Kathi.
«Ich suche Barbara. Sie ist nicht mehr in der Gerberei, und da dachte ich, sie hat sich in die Apotheke geflüchtet. Hier findet sie doch niemand.»
Das war ein guter Gedanke. Hätte sie es doch nur getan, anstatt in der Kälte auszuharren. Dann wäre ihr die Erkältung erspart geblieben.
«Wieso hast du sie überhaupt gesucht?», fragte Kathi.
«Das ist eine seltsame Geschichte.»
Er begann von dem dicken Mönch zu erzählen, der ihn aufgesucht und nach dem Teufelskind gefragt hatte.
«Er war irgendwie … anders als alle anderen Kuttenträger. Außerdem hat er mir Angst gemacht. Ich wusste nicht, ob er dich oder Barbara damit meinte. Deshalb habe ich …»
Erneut unterbrach ein verräterisches Geräusch die Abgeschiedenheit der Apotheke. Sie schauten sich fragend an. «Hast du
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