Die Kinder des Teufels (German Edition)
mit ihr vergiftet. Arnika half gegen Läuse, und davon hatten die Kinder reichlich.
Kümmel, Anis und Angelika für den Magen, und bei Durchfall Eichenrinde.
Königskerze, Beifuß, Odermennig, Kuckucksampfer …
Damit ließ sich ein vortrefflicher Heiltrank herstellen, der sowohl bei geschwollenen Mandeln half als auch bei Krätze und gegen schädliche Säfte im Körper.
Und schließlich Baldrian, Melisse und Johanniskraut. Ängste und Sorgen waren ein ständiger Begleiter der Kinder. In der Nacht sollten sie zumindest ruhig schlafen können.
Weiter ging es zu den Salben und Tinkturen, auch wertvolle Öle waren zu finden.
«Wie lange hast du hier gelebt?», fragte Adam, der Kleinste von ihnen. Wenn er sich nicht ganz täuschte, stand da ein Topf mit leckerem Honig.
«Ich habe hier nur gearbeitet», antwortete sie, «zwei Jahre lang.» Und jeden einzelnen Tag davon hatte sie gehasst. Grein war ein Schinder und Menschenverächter gewesen. Warum hatte ihre Mutter das nicht erkannt? Sie hätte ihr viele Stockhiebe erspart.
«Hmm.»
Der Honig schmeckte lecker und ließ Adam träumen.
Aus der angrenzenden Bibliothek kam Wilhelm zurück, in der Hand ein Buch.
«Da drüben stehen Hunderte von Büchern. Unsere Feuer würden damit lange brennen.»
«Bist du wahnsinnig?!» Kathi blickte ihn fassungslos an. «Für diese Bibliothek würden manche ihr Leben geben, und du hast nichts anderes im Sinn, als sie zu verbrennen?»
Er zuckte die Schultern. «Was willst du mit Büchern? Du kannst sie nicht essen, du kannst sie nicht trinken. Nur fürs Feuer taugen sie.»
Jetzt reichte es ihr. Sie stieg zornig die Leiter herab, nahm ihm das Buch aus der Hand und brachte es zurück in die Bibliothek. «Niemand fasst hier auch nur ein einziges Buch an. Habt ihr das verstanden?»
Hinter ihr hörte sie verständnislose Kommentare. Aber das war ihr egal. Wenn sie wüssten, welcher Reichtum hier zu finden war, kämen sie vielleicht auf noch dümmere Gedanken, als das Wissen der Welt im Feuer aufgehen zu lassen.
Als sie das Buch ins Regal zurückstellte, fiel ihr Blick auf ein anderes, weitaus dickeres Werk – Der Kanon der Medizin vom berühmten Avicenna. Darin hatte Apotheker Grein immer nachgeschlagen, wenn er Hilfe brauchte. Sie zog es heraus. Ein Zettel taumelte zu Boden.
Es war eine alte ärztliche Verordnung für ein Medikament und zugleich eine Anweisung, wie es herzustellen war. Auf den ersten Blick war es ein Rezept gegen Magenbeschwerden. Leinsamen und Kamille waren aufgeführt. Grein hatte es nach Zubereitung der Medizin wahrscheinlich als Lesezeichen benutzt.
Sie steckte es in die Tasche. Sie brauchte beide Hände, um den schweren Kanon der Medizin zu tragen.
«Kannst du eigentlich alle Krankheiten heilen?», fragte Wilhelm.
«Nein», antwortete sie und legte den Kanon neben den Korb, «niemand kann das.»
«Das bedeutet, dass all diese Bücher doch nicht so schlau sind, wie du sagst.»
Sie seufzte, es war sinnlos. «Hast du jemals ein Buch gelesen?»
«Teilweise, ja.»
«Und, hat es dich schlauer oder dümmer gemacht?»
Wilhelm dachte nach. «Es hat mir aufgezeigt, wie verlogen die Welt ist.»
Kathi stutzte. «Von welchem Buch sprichst du?»
«Ich war Schüler von Stift Haug. Was glaubst du, was wir tagaus, tagein gelesen haben?»
Jetzt verstand sie, er meinte die Heilige Schrift. Ja, auch sie konnte ein Lied davon singen, wie mit den Worten Jesu Lug und Trug, Mord und Totschlag begründet, Angst und Schrecken verbreitet wurden. Vikar Ludwig hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass er als Diener des Herrn die Allwissenheit und die grenzenlose Macht besaß. Die Gewalt, die er dafür einsetzte, hatte manchem Kind jegliche Hoffnung auf ein besseres Leben genommen.
«Ich weiß aber etwas», fuhr Wilhelm fort, «das nicht in einem deiner klugen Bücher steht.»
«Und das ist?», fragte sie neugierig.
«Wie die Teufelskrankheit in die Menschen kommt.»
Kathi schaute ihn verblüfft an. «Woher willst du das wissen?»
«Weil ich dabei war.»
«Du warst was?»
«Ja, ich habe gesehen, wie eine Ratte einen Knecht angegriffen hat. Glaube mir, sie war völlig wahnsinnig. Genau so wie die, die seit Wochen an der Teufelskrankheit leiden.»
Sie zweifelte. «Ratten und Menschen sind zwei verschiedene Dinge.»
«In diesem Fall nicht. Die Teufelskrankheit macht keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier.»
«Dann sprich, wodurch wird die Krankheit hervorgerufen?»
Wilhelm grinste hämisch. «Das werde ich
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