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Die Kinder Paxias

Die Kinder Paxias

Titel: Die Kinder Paxias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Feder
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an, dass er sich tatsächlich mit der gleichen Konstanz in bester Verfassung fühlte, wie sein Volk gemeinsam mit der Grotte des Feuers dem Untergang geweiht sein sollte. Für ihn bedeutete die einbrechende Kälte nichts mehr, als eine in ihrer Ungewohntheit unangenehmen Veränderung seiner direkten Umwelt.
    Seufzend legte er den Kopf zurück und massierte sich den verspannten Nacken. Ein Resultat ruheloser Nächte, die er nur noch mit verzweifeltem Grübeln und sorgender Pflege der Schwachen zubrachte. Seine besondere Gabe – gesegnet sei sie – war für ihn gleichbedeutend mit ihrer Nutzung für das Kollektiv und als solche brachte er sie, frei von Bedauern und bar jeder Form von Selbstsucht, mit steigender Intensität in den Alltag seines Volkes.
    Seine ursprüngliche Bestimmung, in Gestalt einer lebenden Bibliothek das Wissen seines Volkes zu speichern und es an kommende Generationen weiterzugeben, war seit Anbrechen der Apokalypse zunehmend in den Hintergrund gedrängt worden und gipfelte mittlerweile in der Pflicht, jeden Funken Leben vor dem Verlöschen zu bewahren.
    Für ihn entstanden dadurch Momente, in denen er seine eigene Existenz nicht mehr wahrnahm und seine Lebensweise nur noch funktionieren nennen konnte. Ein weiteres Opfer, das er gern brachte, da es der Erhaltung seiner Art diente.
    Im Vorhaben eben dieser Aufgabenerfüllung, streifte er mit einem letzten Strecken seine Erschöpfung ab und verließ die Höhlenausbuchtung, die das kleine Reich seines Wirkens und Schaffens seit Jugendtagen bildete.
    An der Abzweigung, die den Weg zur Ruhehöhle von der zur Schlafkammer der Schwachen trennte, trat ihm Joral, der älteste Leibgardist des Regenten entgegen.
    Besorgt musterte er dessen bläulich verfärbte Lippen, die ebenfalls ein Symptom beginnenden Schüttelfrostes bedeuteten. Er begriff voller Trauer, dass auch diesem Baumstamm von einem kräftigen Hünen, den er zeitlebens für seine virile Präsenz bewundert hatte, das Schicksal eines quälenden Erfrierungstodes beschieden sein sollte.
    „Joral, bitte entscheide dich doch endlich dein Lager aufzusuchen. Es geht dir schlecht.“
    Mit verbissen entschlossener Miene schüttelte der Angeredete den Kopf.
    „Nein, ich gehöre bis zu meinem letzten Atemzug an die Seite des Herrschers. Mein Verbleib ist an keinem anderen Ort.“
    Ein leises Lächeln bezeugte seine Belustigung.
    „Im Augenblick sehe ich den Herrscher nicht.“
    Joral lachte kurz auf, in der kleinen Flamme seiner Augen flackerte es vergnügt. Eine ironische Bemerkung fiel bei ihm in jeder Lage auf fruchtbaren Boden – auch im Angesicht hereinbrechender Endzeit.
    „Gut pariert, Ewiger.
    Eine Botschaft des Regenten führt mich zu dir, er erwartet dich unverzüglich zu einer Audienz.“
    „Unverzüglich? Ein verlockender Befehl, um von der Kälte hier wegzukommen. Lass uns gehen.“
    Wie alle anderen, deren Schwäche ihnen noch keinen dauerhaften Aufenthalt auf einem Krankenlager diktierte, hielt sich der erst vor kurzem ins Amt getretene Herrscher in der Ruhehöhle auf. Die beiden Männer schlugen an der Abzweigung den zu ihr führenden Pfad ein.
    Die finsteren Steinwände waren im Gegensatz zu ihrem ehemaligen hitzigen Glühen nicht dazu angetan, ein wohliges Heimatgefühl zu erzeugen, also beeilten sie sich die engen Gänge hinter sich zu bringen. Immerhin war eben dieses Glimmen nur eine der Eigenschaften ihres angestrebten Zielortes, der einst zum anhaltenden Flackern des knisternden Feuerwaldes gehört hatte und dessen Anziehungskraft jeden vernünftigen Bewohner zur Hast reizen musste.
    Auch eine kleine Lavaquelle war noch nicht erstarrt, wenn sie auch kein sprudelndes Leben mehr trug, und verströmte lebensnotwendige Hitze in ihre nähere Umgebung. Das Baden in ihr war zwar bereits vor Monaten verboten worden, damit die Körper der Feuerwesen sie nicht vorzeitig abkühlten, aber ihre Flüssigkeit trug dazu bei, die verbliebenen Flammen einiger Feuerbüsche zu erhalten, die der Temperaturkonstanz der Ruhehöhle Ursache waren.
    Verwunderte und neugierige Blicke folgten ihnen bei ihrem Eintreten. Er wusste ihre Überraschung war in seiner Anwesenheit begründet, da er sich ausschließlich bei den Kranken oder in seiner Bibliothek aufhielt und nur diesen Ort betrat, wenn es einen Schwachen abzuholen galt oder einen Toten zu betrauern.
    Sein vorheriger Aufenthalt vor gerade fünf Tagen war von der Trauerbotschaft des verendeten Herrschers geprägt gewesen, den er auf seinen Armen

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