Die Kinder vom Teufelsmoor
wir wollen gemeinsam ein bißchen aufräumen und uns dann in der Küche das Passende aussuchen.«
Das war allen aus der Seele gesprochen. Darum faßte jeder mit an, die Sessel, Stühle, Tische und Flaschen an den richtigen Platz zu bringen.
Bald sah es im Wohnzimmer wieder recht ordentlich aus. Nur der Tabakrauch hing noch schwer in den Gardinen, obwohl der Eisbär alle Fenster geöffnet hatte.
Dann begab man sich in die Küche, um das in Aussicht gestellte kräftige Frühstück zu bereiten. Dort machte man jedoch rasch die Entdeckung, daß weder Eier noch Wurst, noch Käse, noch Butter, noch Leberpastete, noch Tomaten da waren. Nur drei einsame Scheiben Pumpernickel lagen im Brotfach, und im Kühlschrank langweilte sich ein halbgeleertes Glas Pflaumenmus. Oskar war fassungslos.
»Es war doch gestern noch reichlich von allem da!« rief er. »Hat einer von euch heute nacht vielleicht einen Freßanfall gehabt?« Diese Vermutung wiesen die Gäste empört von sich, und die Türkin sagte: »Gib nur zu, daß du vergessen hast, das Nötige einzukaufen, Oskar, wir nehmen es dir nicht übel.«
Bevor Oskar darauf antworten konnte, hörten alle ein übermütiges Kindergeschrei aus dem Wald hinter dem Haus. »Die Kinder!« rief die Dame im Zeitungskostüm. »Natürlich! Diese kleinen Bestien haben alles aufgegessen!«
»Ach, du meine Güte«, murmelte Oskar, »die hab' ich total vergessen. Was machen wir denn nun?«
»Ich fahre nach Hause«, sagte die Zeitungsdame schnippisch, »und beköstige mich dort selbst. Ihr solltet es auch so machen, damit Oskar sich in Ruhe um seine Verwandtschaft kümmern kann und sich nicht noch mit euch abplagen muß.« Und sie trällerte:
»Das Fest war schön, nun ist es aus. Auf Wiedersehn, ich geh' nach Haus!«
Sie winkte allen flüchtig zu, gab dem verdatterten Oskar einen hauchleichten Kuß auf die Wange, rauschte hinaus auf den Flur, bedeckte dort die Schlagzeilen ihrer Brust- und Rückenpartie mit einem Sommermantel und bestieg ihren gelben Sportwagen, den sie unter den Kiefern des Nachbargrundstückes geparkt hatte. Das wirkte wie ein Signal auf die anderen Gäste. »Unter den gegebenen Umständen«, sagte der Clown, »scheint es auch mir das Beste zu sein, nach Hause zu fahren. Mach's gut, alter Junge, bis zum nächstenmal!« Und schon war er draußen. Ihm folgten der Eisbär und der Herr im Kimono auf dem Fuße. Zwei Minuten später waren Rita und Oskar allein.
»Mach dir nichts draus«, sagte Rita, »so kommen wir viel besser zurecht. Du ziehst dich jetzt an und fährst zum SOS-Kinderdorf hinüber, um die Kinder anzumelden. Wenn wir Glück haben, geht alles ohne langwierige Formalitäten. Ich gehe inzwischen ins Dorf und kaufe ein. Wenn du zurückkommst, gibt es ein anständiges Frühstück, und zu Mittag bereite ich ein Gulasch als Abschiedsessen.« Oskar nickte. Er war froh, daß seine Hausgenossin so praktisch und tatkräftig war. Schnell rasierte er sich, zog sich an und fuhr davon. Rita aber ordnete Teller, Tassen, Gläser und Bestecke in den Geschirrspüler und beschäftigte sich darauf im Schlafzimmer, das aussah, als ob die Hunnen darin gezecht und getobt hätten. Während sie noch die Betten aufschüttelte, stürzten die Kinder herein, abgekämpft und mit geröteten Gesichtern, aber mit glücklich strahlenden Augen. Sie warfen sich in die Sessel und auf die Couch und wunderten sich darüber, daß alle Narren und Närrinnen verschwunden waren. Nur eine stand in der Schlafzimmertür, und die sah ohne ihr Kostüm nicht halb so lustig aus wie in der Nacht. Nun trat sie zu ihnen heraus und sagte energisch: »Also, Kinder, so geht das nicht! Hier ist keine Räuberhöhle, sondern ein Künstlerhaus. Ihr seid alle schmutzig und könnt euch nicht so auf den Sesseln herumlümmeln. Geht nach draußen und spielt. Ich fahre ins Dorf zum Einkaufen und rufe euch später herein, wenn ich das Mittagessen fertig habe.«
»Wir haben genug gespielt«, sagte Rolf. »Jetzt ruhen wir uns aus.« »Aber nicht hier im Zimmer, bitte!« rief Rita. »Draußen im Wald habt ihr mehr Platz dafür.«
»Mehr Platz brauchen wir nicht zum Ausruhen«, sagte Bodo. »Bitte, geht sofort raus!« befahl Rita. »Hier bleibt ihr nicht!« »Darüber hast du gar nicht zu bestimmen, wenn du nicht Onkel Oskars Frau bist!« sagte Bodo. »Wir sind Verwandte, und was bist du?«
Rita wurde noch bleicher, als sie schon war. »Ich bin die Haushälterin hier«, sagte sie scharf. »Was ich befehle, wird getan, merkt euch
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