Die Kinder vom Teufelsmoor
in den Mund. »Wenn wir hierbleiben«, sagte sie, »muß alles genau geplant werden. Bis jetzt haben wir immer noch mit Oskar gerechnet und alles gar nicht ernst genommen. Nun sieht die Sache anders aus. Wir müssen jeden Tag was zu essen ranschaffen, müssen versuchen, irgendwie Geld zu verdienen, und müssen uns so benehmen, daß keiner uns hier aufstöbert und vertreibt.«
»Geld verdienen oder gleich die Sachen klauen ist dasselbe«, sagte Bodo eifrig. »Das übernehme ich!«
»Aber nur vielleicht!« rief Rolf. »Ich hab' dir das schon mal gesagt. Klauen ist zu gefährlich. Wenn sie dich erwischen, sind wir alle geliefert.«
»Und ich hab' dir schon mal gesagt, daß mich keiner erwischt!« rief Bodo. »Ich bin ein Profi. Ich klau' nur, wenn die Sache absolut sicher ist.«
»Du kannst vorher nie wissen, ob eine Sache sicher ist«, wandte Berti ein.
»Ich ja«, sagte Bodo, »ich bin ja nicht doof.« Rolf warf die Zigarette ins Feuer. »Vielleicht können wir auf Bodos Klauerei gar nicht verzichten«, sagte er nachdenklich. »Wenn das mit dem Geldverdienen nämlich nicht klappt, müssen wir nur Kartoffeln fressen. Und die sind ja schließlich auch geklaut!«
»Kartoffeln klauen ist nicht so schlimm wie Sachen aus dem Geschäft«, sagte Berti.
»Du spinnst, Klauen ist Klauen«, widersprach Bodo, »da gibt es überhaupt keinen Unterschied. Und solange du dich nicht schnappen läßt, ist es sogar erlaubt. Außerdem tun wir es ja nicht aus Spaß am Klauen, sondern weil wir Hunger haben!« »Lüg nur nicht rum«, rief Rena, »du hast Spaß am Klauen!« Bodo griente und sagte: »Allerdings! Aber das ist meine Privatangelegenheit. Ohne meinen Spaß am Klauen hättest du heute mittag keine Butter aufs Brot gehabt.« Ingelore kaute auf ihrer Unterlippe.
»Unser Vater ist nicht da«, sagte sie, »wer weiß, wo der sich rumtreibt. Unsere Mutter hat sich davongemacht, wahrscheinlich will sie ihn suchen. Unser Onkel setzt uns im Moor aus, damit wir verhungern oder versacken. Wenn wir uns wehren und uns kümmern, daß wir durchkommen, klauen und so, kann uns das keiner übelnehmen. Wir haben auch ein Recht zu leben, genau wie alle andern. Es ist nicht unsere Schuld, daß wir auf der Welt sind und Hunger haben!« Rolf nickte grimmig.
»Na klar!« rief er. »Wir können nichts dafür, wir sind völlig unschuldig daran.«
»Eben!« bestätigte Bodo. »Und darum haben wir auch das Recht zu klauen!«
Berti schüttelte den Kopf.
»Das Recht haben wir vielleicht«, sagte er. »Aber was nützt uns das Recht, wenn sie uns schnappen und in ein Heim stecken!« Bodo tippte sich an den Kopf.
»Deinen Verstand möchte ich haben!« rief er. »Es bleibt uns doch gar nichts andres übrig, Mensch! Wenn wir nicht klauen, verhungern wir und kommen auf den Friedhof oder verfaulen hier irgendwo im Graben. Dann doch lieber alles versuchen, um durchzukommen. Geht's schief, sperren sie uns ein. Geht's gut, führen wir ein herrliches Leben!«
Eine schlimme Nacht
Ganz so herrlich, wie Bodo es sich gedacht hatte, schien das Leben allerdings doch nicht zu werden, denn schon nach wenigen Stunden änderten sich die Verhältnisse unerwartet.
Die Kinder wurden mitten in der Nacht durch einen orkanartigen Sturm, der die Moorkate umzublasen drohte, aus dem Schlaf gerissen. Der Wind heulte, ein heftiger Regen prasselte auf das löcherige Dach, sprudelte und tropfte an vielen Stellen durch, und das Wasser rann quer über den Fußboden unter das Heu, auf dem sie lagen. Birgit fing an zu weinen und klammerte sich an Walter, der neben ihr lag.
»Das Haus fällt um!« wimmerte sie. »Ich hab' Angst! Gleich fällt das Haus um, und wir sind alle tot!«
»Wein doch nicht, Biggi«, schluchzte Walter, »bitte, bitte, wein doch nicht!« Seine Angst war genauso groß wie die seiner Schwester. Auf der Diele wurde ein Deckenbalken auf den Fußboden geschmettert. Das ganze Haus dröhnte. Ein Teil des Daches krachte herab. Von der Zimmerdecke über ihnen fiel ein großes Stück Verputz.
Die Kinder rückten eng zusammen, hockten sich hin und waren auf das Schlimmste gefaßt. Ingelore hielt den kleinen Willy, der als einziger noch nicht aufgewacht war, im Schoß und beugte sich über ihn, damit ihm nichts auf den Kopf fiel. Rena jammerte unaufhörlich nach ihrer Katze, die verschwunden war.
»Mensch, denk nicht an die doofe Katze!« schrie Bodo. »Die kommt schon durch. Denk lieber an uns! Wenn die Decke einstürzt, sind wir erledigt!«
»Halt's Maul!« rief
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