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Die Kinder vom Teufelsmoor

Die Kinder vom Teufelsmoor

Titel: Die Kinder vom Teufelsmoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Rolf in wilder Angst. »Die Decke stürzt schon nicht ein, quatsch nicht so 'n dummes Zeug!«
    Wieder polterte ein Balken auf die Diele.
    Sie zuckten zusammen und zogen die Knie noch enger an ihre Brust. Im selben Augenblick wurde das Fenster von einer gewaltigen Windbö eingedrückt, und eiskalter Regen klatschte ihnen ins Gesicht.
    »Wir müssen hier raus!« flüsterte Berti. »Draußen ist es nicht so gefährlich wie hier drinnen.«
    »Hast du 'ne Ahnung!« widersprach Bodo leise. »Draußen packt dich der Wind und schleudert dich hundert Meter durch die Luft! Dann biste hin!«
    »Aber hier fallen dir die Balken auf den Kopf«, sagte Berti, »dann biste auch hin!«
    »Nee, gegen die Balken kannste dich schützen, da brauchste nur die Hand hochzuheben, aber gegen den Wind biste machtlos.« Das Heu, auf dem sie saßen, und die Wolldecken waren patschnaß. Sie froren erbärmlich, und Walter nieste pausenlos. »Wenn das Unwetter vorbei ist, haben wir alle eine Lungenentzündung«, sagte Ingelore. »Wir können doch gar kein trockenes Zeug anziehen!«
    »Keine Angst«, tröstete Rolf, »das kriegen wir schon hin! Hauptsache, wir überstehen den Sturm lebendig!«
    Nach zwei qualvollen Stunden der Angst schwächte der Wind ab, der Regen aber rauschte um so heftiger nieder. »So, jetzt müssen wir sofort Feuer machen und uns trocknen!« bestimmte Rolf.
    Er stand auf und tappte über das nasse Heu zur Tür. Die ließ sich nur sehr schwer öffnen, denn einer der herabgestürzten Deckenbalken lag quer davor.
    »Mensch, sieht das hier aus!« rief Rolf, als er in der Diele stand. »Das halbe Dach ist weg, man kann so in den Himmel gucken!« Zitternd vor Kälte kamen nun auch seine Geschwister, um sich die Zerstörungen anzusehen.
    »Über dem Herd ist noch alles heil«, sagte Berti. »Nur den Tisch können wir verfeuern, da ist genau ein Balken rauf gefallen!« »Der Tisch ist nicht so wichtig«, schwächte Rolf ab, »aber was ist mit unsern Fressalien? Wo sind die überhaupt?«
    Die Lebensmittel, die sie am Abend einfach auf dem Tisch hatten liegenlassen, waren in der ganzen Diele verstreut, fortgespült und fortgeweht. Das Glas mit der Marmelade lag zerbrochen neben dem Handwagen, das Glas mit Honig, ebenfalls in Scherben, auf der andern Dielenseite. Die Mehltüte war aufgeplatzt, ein kleiner Teil des Inhalts war noch als weiße Kleisterspur nahe der Haustür zu erkennen. Ein Leberwurstring schwamm in einer großen Wasserlache, der andere war von einem Deckenbalken zerquetscht worden. Die beiden Brote, die noch übriggeblieben waren, lagen wie Zwillinge nebeneinander, naß und weich wie ein Schwamm. Salz und Seifenpulver hatten sich zusammengetan und waren schäumend über die in Scheiben geschnittene Mettwurst geflossen. Das Fleisch war gar nicht wiederzufinden, es mußte unter Balken und Mörtel begraben sein. Nur die Flasche Weinbrand schien den Sturm unversehrt überdauert zu haben. Sie stand aufrecht unter dem zerbrochenen Tisch. Auch von den Lebensmitteln, die Rolf von Worpswede mitgebracht hatte, war nichts mehr zu genießen. Das einzige, was man noch essen konnte, waren die Kartoffeln, die überall herumlagen. Fassungslos starrten die Kinder auf die Verwüstung. »Das kommt alles nur, weil du geklaut hast!« rief Rena weinend. »Man darf nicht klauen! Das ist jetzt die Strafe!« »Wo sind die Streichhölzer?« fragte Rolf plötzlich. »Wenn die naß sind, können wir uns begraben lassen!«
    Die Streichhölzer waren in Bertis Hosentasche und nicht mehr zu gebrauchen, denn Berti hatte, wie seine Geschwister auch, keinen trockenen Faden mehr am Leibe.
    Willy, der erst jetzt wach wurde, patschte barfuß auf die Diele, gähnte und blickte sich staunend um.
    »Bullerwasser naß!« schrie er und zeigte auf die große Öffnung im Dach, durch die der Regen gleichmäßig herabschnürte. Ingelore nahm ihn auf den Arm und drückte ihn an sich. Rena weinte immer noch um ihre Katze. Sie lehnte sich, Schutz und Trost suchend, an ihre große Schwester. Birgit fischte den Leberwurstring aus der Wasserlache und zeigte ihn Walter, der seinen Zeigefinger in das zerbrochene Marmeladenglas tauchte und probierte, ob die Marmelade noch schmeckte.
    »Wenn es aufhört zu regnen«, sagte Rolf, »gehen wir zurück nach Worpswede. Hier können wir nun nicht mehr bleiben.« »Aber ohne mich!« rief Bodo. »In den nassen Klamotten gehe ich keinen Schritt vor die Tür! Meinste, ich will mir den Tod holen?« »Den holste dir auch, wenn du in den

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