Die Kinder Von Eden : Roman
sagen.«
»Warum sollte er?«
»Weil er in gewisser Weise immer noch an dir hängt. Und du bist eine attraktive Frau.«
Melanie starrte ihn an. »Was soll das ganze Gerede, Priest?«
Priest holte tief Atem. »Wenn du mit ihm schläfst, würde er dir alles erzählen.«
»Du hast sie wohl nicht mehr alle, Priest! Ich soll mit ihm vögeln? Du spinnst!«
»Ich frage dich wirklich nicht gern.« Und das stimmte. Er wollte nicht, daß sie mit Michael schlief. Nur wer Sex haben wollte, sollte Sex machen. Das Scheußlichste an der Ehe war, daß sie einem Menschen das Recht gab, mit einem anderen Menschen zu schlafen. Das hatte Priest von Star gelernt. Insofern war sein Plan ein Verrat an seinen eigenen Überzeugungen. »Aber mir bleibt keine andere Wahl.«
»Vergiß es«, erwiderte Melanie.
»Schon gut«, sagte er. »Entschuldige, daß ich gefragt habe.« Er ließ den Wagen an. »Verdammt, ich wünschte, mir würde eine andere Möglichkeit einfallen.«
Minutenlang fuhren sie schweigend durch das Bergland.
»Tut mir leid, Priest«, sagte Melanie schließlich. »Aber ich kann es einfach nicht.«
»Schon in Ordnung.«
Sie bogen von der Straße ab und fuhren über den langen, holperigen Feldweg Richtung Kommune. Der Kirmeswagen war von hier aus nicht mehr zu sehen; Priest vermutete, daß Oaktree und Star ihn die Nacht über irgendwo versteckt hatten.
Er parkte auf der Lichtung am Ende der Rüttelpiste. Als sie im Zwielicht durch das Waldstück zum Dorf gingen, nahm Priest Melanies Hand. Nach einem Augenblick des Zögerns rückte sie näher an ihn heran und erwiderte zärtlich seinen Händedruck.
An diesem Tag war die Arbeit auf dem Weingut vorüber. Des warmen Wetters wegen hatten die anderen den großen Tisch aus dem Küchenhaus auf den Hof getragen; einige der Kinder stellten Teller darauf und legten Bestecke aus, während Slow einen langen Laib selbstgebackenen Brots aufschnitt. Mehrere Flaschen vom eigenen Wein der Kommune standen auf dem Tisch, und über dem ganzen Hof lag ein würziger, aromatischer Duft.
Priest und Melanie gingen zu der Hütte, in der Dusty lag, um nach dem Jungen zu schauen. Sie sahen auf den ersten Blick, daß es ihm besser ging. Er schlummerte friedlich. Die Schwellungen waren sichtlich zurückgegangen, seine Nase lief nicht mehr, und er atmete regelmäßig. Flower war auf dem Stuhl neben dem Bett eingeschlafen; das Buch lag aufgeschlagen auf ihrem Schoß.
Priest beobachtete, wie Melanie behutsam die Decke bis zum Kinn des schlafenden Jungen zog und ihn auf die Stirn küßte. Dann schaute sie zu Priest auf und flüsterte: »Hier ist der einzige Ort, an dem es ihm jemals gutging.«
»Hier ist der einzige Ort, an dem es mir jemals gutging«, sagte Priest leise. »Der einzige Ort, an dem die ganze Welt jemals in Ordnung war. Deshalb müssen wir ihn schützen.«
»Ich weiß«, sagte Melanie. »Ich weiß.«
Kapitel 14
Das Dezernat für Inlandsterrorismus des FBI in San Francisco war in einem schmalen Raum untergebracht, der sich über eine Seite des Federal Building erstreckte. Mit seinen Schreibtischen und Trennwänden wirkte er wie andere Büros, sah man davon ab, daß die jungen Männer in ihren kurzärmeligen Hemden und die ebenso jungen Frauen in den schicken Kleidern Waffen in Hüft- oder Schulterholstern trugen.
Am Dienstagmorgen um sieben Uhr waren sie alle in dem Raum versammelt, saßen halb auf den Schreibtischplatten oder lehnten an den Wänden. Einige tranken Kaffee aus Plastikbechern; andere hielten Bleistifte und Schreibblöcke in den Händen, bereit, sich Notizen zu machen. Das gesamte Dezernat, vom Supervisor abgesehen, war Judy unterstellt worden. Der Raum war von gedämpftem Murmeln erfüllt. «
Judy wußte, worüber geredet wurde: Sie hatte sich gegen den stellvertretenden SAC gestellt und die Oberhand behalten. So etwas kam nicht oft vor. In einer Stunde würden auf der ganze Etage Gerüchte kursieren, würden Klatsch und Tratsch die Runde machen. Judy wäre nicht überrascht, würde sie am Ende dieses Tages hören, sie hätte nur deshalb den Sieg davongetragen, weil sie ein Verhältnis mit Al Honeymoon habe.
Die Gespräche verstummten, als Judy sich erhob und sagte »Wenn ich jetzt um Aufmerksamkeit bitten darf.«
Für einen Moment ließ sie den Blick über die Versammelten schweifen, und das altbekannte Gefühl innerer Spannung erfaßte sie. Ihre Mitarbeiter waren durchweg sportliche, durchtrainierte, hart arbeitende, gut gekleidete, ehrliche und clevere Menschen
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