Die Kinder Von Eden : Roman
recht.« Priest lächelte und ließ die Faust durch die Luft zischen.
»Und ob ich recht habe«, fuhr Star fort. »Wenn die Menschen in hundert Jahren in die Vergangenheit blicken, werden sie sagen, daß wir die Vernünftigen gewesen sind und daß die Regierung verrückt war, weil sie zugelassen hat, daß Amerika durch die Umweltverschmutzung zerstört wurde. Wir sind wie die Fahnenflüchtigen im Ersten Weltkrieg. Zu ihrer Zeit hat man sie gehaßt. Aber heute sagt jeder: ›Die Männer, die damals abgehauen sind, waren die einzig Vernünftigen. ‹«
»Stimmt ja auch«, meinte Oaktree.
Der Streifenwagen fuhr vom Parkplatz.
»Ich bin durch!« sagte Melanie. »Ich habe Anschluß bekommen … Hallo? Ja, ganz recht, wegen der John- Truth-Show. Gut, ich warte … Er sagt, ich soll das Radio ausmachen, Leute …«
Priest stellte das Autoradio ab. »Ich möchte Ihnen etwas über ein Erdbeben erzählen«, fuhr Melanie fort und beantwortete ein paar Fragen. »Ich heiße Mel … Melinda. Ja, gut, ich bleib‘ dran.« Sie hielt die Hand auf die Sprechöffnung. »Verdammt, beinahe hätte ich ihm meinen Namen gesagt.«
»Wäre kein Beinbruch gewesen. Es dürfte eine Million Melanies geben«, sagte Priest. »Gib mir das Handy.«
Melanie reichte es ihm, und Priest drückte es sich ans Ohr. Er hörte den Werbespot eines Lexus- Autohändlers aus San Jose und beobachtete währenddessen, wie der Streifenwagen den Hügel herauf in ihre Richtung kam. Er fuhr am seismischen Vibrator vorbei, bog in Richtung Schnellstraße ab und verschwand.
Plötzlich hörte Priest: »… und Melinda möchte über ihr Erlebnis mit einem Erdbeben reden. Hallo, Melinda! Sie sind live in der John-Truth-Show!«
Priest sagte: »Hallo, John. Hier ist nicht Melinda, hier sind die Kinder von Eden.«
Schlagartig war Stille in der Leitung. Als Truth sich schließlich wieder meldete, hatte seine Stimme jenen gewichtigen Tonfall angenommen, den sie immer dann besaß, wenn er etwas von Bedeutung zu sagen hatte. »Damit sollten Sie nicht scherzen, mein Freund. Sie könnten nämlich ins Gefängnis wandern, ist Ihnen das klar?«
»Ich könnte ins Gefängnis wandern, weil ich eben nicht damit scherze«, erwiderte Priest.
»Warum rufen Sie mich an?« fragte Truth.
»Weil wir diesmal sicher sein wollen, daß jeder weiß, daß wir das Erdbeben ausgelöst haben.«
»Was? Wann wird es sich ereignen?«
»In den nächsten paar Minuten.«
»Wo?«
»Kann ich Ihnen nicht sagen, weil wir sonst vielleicht das FBI
am Arsch hätten. Aber ich werd‘ Ihnen etwas verraten, was nur meine Freunde und ich wissen können. Das Beben wird sich genau auf der Route 101 ereignen.«
Raja Khan sprang auf einen Tisch inmitten der Einsatzzentrale. »Seid mal alle still und hört zu!« rief er. Alle hörten den schrillen Beiklang der Furcht in Rajas Stimme, und es wurde totenstill im Raum. »Ein Typ hat bei John Truth Live angerufen. Der Kerl behauptet, von den Kindern von Eden zu sein.«
Abrupt setzten die Stimmen wieder ein, als Fragen durch den Raum schwirrten und die Agenten sich aufgeregt unterhielten. Judy erhob sich. »Ruhe, Leute!« rief sie. »Was hat der Mann gesagt, Raja?«
Carl Theobald, der an seinem Schreibtisch saß und ein Ohr an den Lautsprecher eines Radios hielt, beantwortete Judys Frage. »Er hat nur gesagt, das nächste Erdbeben wird sich in wenigen Minuten an der Route 101 ereignen.«
»Gut gemacht, Carl. Stellen Sie das Radio bitte lauter.« Judy drehte sich schwungvoll um. »Michael – stimmt die Ortsangabe mit einer der Stellen überein, die wir überwachen lassen?«
»Nein«, sagte er. »Verflucht, ich hab‘ mich verrechnet.«
»Dann rechne es noch einmal durch! Versuch herauszufinden, wo diese Verrückten sein könnten!«
»In Ordnung«, sagte er. »Aber hör auf zu schreien.« Er setzte sich an seinen Computer und legte die Hand auf die Maus.
Aus Carl Theobalds Radio erklang eine Stimme: »Jetzt geht‘s los.«
An Michaels Computer schrillte ein Alarmton.
»Was ist?« fragte Judy. »Ein Erdstoß?«
Michael klickte mit der Maus ein Symbol an. »Moment, es kommt sofort auf den Bildschirm … nein, das ist kein Erdstoß. Es ist ein seismischer Vibrator.«
Judy blickte ihm über die Schulter. Auf dem Monitor sah sie ein Wellenmuster, das jenem ähnelte, welches Michael ihr amSonntag gezeigt hatte. »Wo steht er?« fragte sie. »Ich brauche eine Ortsangabe!« »Ich arbeite daran!« erwiderte er scharf. »Wenn du mich anschreist, arbeitet der
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