Die Kinder Von Eden : Roman
bewegt. Doch um die Schockwellen vom seismischen Vibrator zu dem kritischen Punkt zu leiten, ist felsiger Boden besser geeignet.«
»Spar dir deine verdammten Vorlesungen!« sagte Priest. »Wo sollen wir es als nächstes versuchen?« Melanie wies den Hügel hinauf. »Wo wir von der Schnellstraße abgebogen sind. Das ist zwar nicht direkt auf der Verwerfung, aber der Untergrund dort müßte Fels sein.«
Oaktree blickte Priest mit hochgezogenen Brauen an. »Los, zurück zum Laster!« sagte Priest.
Wieder jagten sie über die Hauptstraße und wurden diesmal von noch mehr Menschen beobachtet. Mit schlingerndem Heck lenkte Oaktree den Barracuda in die Seitenstraße und bremste mit kreischenden Reifen neben dem seismischen Vibrator. Priest schwang sich in die Führerkabine, hob die Bodenplatte und fuhr los, wobei er das Gaspedal voll durchtrat.
Der Laster bewegte sich quälend langsam durch die Stadt und kroch den Hügel hinauf.
Als Priest die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, jagte der Streifenwagen, der vor dem Cafe gestanden hatte, mit flackerndem Blaulicht und heulender Sirene die Ausfahrt der Schnellstraße hinunter. Der Wagen schoß am Vibrator vorbei in Richtung Stadt.
Schließlich erreichte der Laster die Stelle, von der aus Priest zum erstenmal über die Stadt hinweggeschaut und erklärt hatte, sie wäre ideal. Er hielt an der Straße gegenüber dem Big-Rips- Restaurant. Zum drittenmal fuhr er die Bodenplatte des seismischen Vibrators herunter.
Hinter sich konnte er den Barracuda sehen. Der Streifenwagen erschien wieder aus Richtung Stadt und kam den Hügel herauf. Als Priest einen raschen Blick zum Himmel warf, sah er in der Ferne einen Hubschrauber.
Er hatte keine Zeit, sich vom Vibrator zu entfernen und die Fernbedienung zu benutzen. Er mußte die gewaltige Apparatur betätigen, während er in der Fahrerkabine saß.
Er legte die Hand auf die Kontrollen, zögerte und zog den Hebel.
Aus dem Helikopter sah Felicitas wie eine schlafende Stadt aus.
Es war ein heller, klarer Abend. Judy konnte die Hauptstraße und das Netz aus Nebenstraßen zu beiden Seiten erkennen; sie konnte die Bäume in den Gärten und die Autos auf den Auffahrten ausmachen, doch nichts schien sich zu bewegen. Ein Mann, der Blumen goß, war so vollkommen regungslos, daß er wie eine Statue aussah; eine Frau mit großem Strohhut stand unbeweglich auf dem Bürgersteig; drei Mädchen im Teenageralter schienen an einer Straßenecke wie festgefroren, und zwei Jungen waren mit ihren Fahrrädern mitten auf der Straße stehen geblieben.
Nur auf der Schnellstraße, welche über die elegant geschwungenen Bögen eines Viadukts an der Stadt vorüberführte, gab es Bewegung: Judy sah den üblichen Strom von Personenwagen undLastern und entdeckte überdies in ungefähr einer Meile Entfernung zwei Streifenwagen, die sich mit hoher Geschwindigkeit der Stadt näherten. Judy vermutete, daß die Wagen auf ihren Notruf reagiert hatten.
In der Stadt selbst aber rührte sich niemand.
Einen Augenblick später erkannte Judy, was los war.
Die Leute lauschten.
Das Dröhnen des Hubschraubers verhinderte, daß auch Judy das Geräusch vernehmen konnte, das die Einwohner der Stadt hörten. Doch sie konnte sich denken, um was es sich handelte. Es mußte der seismische Vibrator sein.
Aber wo stand er?
Der Helikopter flog jetzt tief genug, daß Judy die meisten Autos erkennen konnte, die an der Hauptstraße parkten, doch sie sah kein Fahrzeug, das groß genug war, daß es der seismische Vibrator hätte sein können. Und auch keiner der Bäume, die den Blick auf einen Teil der Straße verwehrten, hätte einen ausgewachsenen Lastwagen verdecken können.
»Kannst du die Verwerfung sehen, Michael?« fragte Judy über das Kopfhörermikrofon.
»Ja.« Er studierte die Karte und verglich sie mit der Landschaft unter ihnen. »Sie verläuft unter der Eisenbahnstrecke, dem Fluß, der Schnellstraße und der Erdgaspipeline. Großer Gott, das hat schreckliche Zerstörungen zur Folge!«
»Aber wo ist der seismische Vibrator?«
»Was ist das da auf dem Hügelhang?«
Judy blickte in die Richtung, in die Michaels Finger wies. Oberhalb der Stadt, nahe der Schnellstraße, sah sie eine kleine, dichte Gruppe von Gebäuden: irgendein Fast-Food-Restaurant, ein Bürogebäude mit großen Glasflächen und ein kleines Bauwerk aus Holz, wahrscheinlich eine Kapelle. In der Nähe des Restaurants standen ein Streifenwagen, ein schmutzigbraunes Coupe, das wie ein alter,
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