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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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denn, er wollte es so. Diese Leute standen unter seinem Bann. Und Dale war Onologe, der wichtigste Mann der Weinkelterei. Sie konnten es sich nicht leisten, ihn zu verlieren.
    Und ausgerechnet heute! Wenn Dale die Nachrichten verfolgt hätte – so wie Priest vor einer Stunde, als er in einem geparkten Auto gesessen und Radio gehört hatte -, dann hätte er auch gewußt, daß eine Massenpanik in Kalifornien ausgebrochen war. Die Flughäfen wurden regelrecht belagert, und die Schnellstraßen waren hoffnungslos überfüllt mit Menschen, die aus den Städten und sämtlichen Gebieten in der Nähe der St.-Andreas-Spalte flüchteten. Gouverneur Robson hatte die Nationalgarde in Alarmbereitschaft versetzt. Der Vizepräsident war mit dem Flugzeug nach Felicitas unterwegs, um sich vor Ort ein Bild von den Schäden zu machen. Immer mehr Menschen – Senatoren und Kongreßabgeordnete, Bürgermeister, Gemeindedirektoren und Journalisten -bedrängten den Gouverneur, der Forderung der Kinder von Eden nachzugeben. Dale aber wußte nichts von alledem.
    Priest war nicht der einzige, den Dales Ankündigung schockierte. Apple brach in Tränen aus, worauf auch Poem zu weinen anfing. Als erste ergriff Melanie das Wort. »Aber, Dale … warum?« fragte sie.
    »Du weißt, warum«, erwiderte er. »Dieses Tal wird überflutet.«
    »Und wo willst du hin?«
    »Nach Rutherford im Napa Valley.«
    »Hast du einen geregelten Job?«
    Dale nickte. »In einer Weinkellerei.«
    Kein Wunder, daß er sich einen Job besorgen konnte.
    Priest wußte, daß Dales Fachkenntnisse unbezahlbar waren. Gut möglich, daß er jetzt das große Geld verdiente. Das eigentlich Erstaunliche aber war, daß Dale zurück in die Welt außerhalb der Kommune wollte.
    Inzwischen weinten mehrere Frauen. »Könnt ihr denn nicht hoffen und abwarten, so wie wir anderen?« fragte Song.
    Poem antwortete ihr unter Tränen: »Wir haben drei Kinder. Wir haben nicht das Recht, ihr Leben zu gefährden. Wir können nicht hierbleiben und auf ein Wunder hoffen … so lange, bis das Wasser schon um unsere Häuser schwappt.«
    Zum erstenmal meldete Priest sich zu Wort. »Dieses Tal wird nicht überflutet.«
    »Das weißt du doch gar nicht«, sagte Dale.
    Im Küchenhaus wurde es still. Es war ungewöhnlich, daß jemand Priest so unverblümt widersprach. »Dieses Tal wird nicht überflutet«, wiederholte Priest.
    Dale sagte: »Wir alle wissen, daß irgendwas im Gange ist, Priest. In den letzten sechs Wochen warst du mehr unterwegs als zu Hause. Gestern wart ihr zu viert bis Mitternacht fort, und heute morgen steht ein zerbeulter Cadillac auf dem Parkplatz. Aber was du auch vorhast – uns anderen hast du nichts davon
    gesagt. Undich kann die Zukunft meiner Kinder nicht deiner Hoffnungen wegen aufs Spiel setzen. Shirley denkt genauso.«
    Poems richtiger Name war Shirley, wie Priest sich erinnerte. Daß Dale diesen Namen benutzte, ließ erkennen, daß er sich bereits von der Kommune gelöst hatte.
    »Ich werde dir sagen, was dieses Tal retten wird«, erklärte Priest.
    Weshalb sollte ich ihnen nichts von dem Erdbeben erzählen? Sie müßten sich freuen, müßten stolz sein! »Die Macht des Gebets. Das Gebet wird uns erretten.«
    »Ich werde für euch beten«, sagte Dale. »Und Shirley auch. Wir werden für euch alle beten. Aber wir bleiben nicht hier.«
    Poem wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab. »Ich glaube, damit wäre alles gesagt. Es tut uns leid.
    Wir haben gestern abend schon gepackt … nicht, daß es viel zu packen gab. Ich hoffe, Slow wird uns zur nächsten Bushaltestelle in Silver City fahren …«
    Priest erhob sich und ging zu den beiden. Einen Arm legte er Dale um die Schultern, den anderen Poem. Dann drückte er beide an sich und sagte mit leiser, zwingender Stimme: »Ich kann euren Schmerz verstehen. Laßt uns alle zum Tempel gehen und gemeinsam meditieren. Anschließend entscheidet ihr euch, was ihr tun wollt – und dann wird es die richtige Entscheidung sein.«
    Dale wich zurück, entzog sich Priests Umarmung. »Nein«, sagte er. »Diese Zeiten sind vorbei.«
    Seine ganze bezwingende Kraft hatte Priest in diese Worte und Gesten gelegt, und doch hatte es nichts an Dales Entschluß geändert. Heißer, gefährlicher, unkontrollierbarer Zorn loderte in ihm auf. Am liebsten hätte er Dale angeschrien und ihm vorgehalten, wie treulos und undankbar er sei. Hätte er die Möglichkeit gehabt, er hätte die beiden getötet. Doch er wußte, daß es ein Fehler gewesen wäre, seinen

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