Die Kinder Von Eden : Roman
Bild habe ich schon mal gesehen«, sagte er. »Die Frau ist keine von uns.«
Judy hatte das bedrückende Gefühl, daß der Mann die Wahrheit sagte.
»Wir sind eine religiöse Gemeinschaft«, fuhr der Mann mit wachsendem Unwillen fort. »Und wir sind gesetzestreue Bürger. Wir nehmen keine Drogen. Wir bezahlen unsere Steuern und halten uns an die Anordnungen der örtlichen Behörden. Wir haben es nicht verdient, wie Verbrecher behandelt zu werden.«»Wir müssen bloß sichergehen, daß diese Frau sich nicht hier draußen versteckt.«
»Wer ist die Frau? Und wie kommen Sie darauf, daß sie sich bei uns aufhält? Oder gehen Sie einfach von der Vermutung aus, daß alle Menschen, die in einer Kommune leben, Verdächtige sind?«
»Nein, das tun wir nicht«, sagte Judy, die in Versuchung geriet, dem Burschen ein paar deutliche Worte zu sagen; dann aber sagte sie sich, daß sie es gewesen war, die ihn um sechs Uhr früh geweckt hatte. »Diese Frau gehört zu einer Terroristengruppe. Sie lebt getrennt von ihrem Mann. Sie hat ihm gesagt, sie lebt in einer Kommune im Del Norte County. Es tut uns leid, wenn wir sämtliche Bewohner jeder Kommune und Genossenschaft in dieser Gegend zu dieser frühen Stunde wecken müssen, aber ich hoffe, Sie werden verstehen, daß die Sache sehr wichtig ist. Wäre das nicht der Fall, hätten wir Sie nicht gestört. Und offen gesagt, hätten wir selbst uns auch nicht diese Mühe gemacht.«
Der Mann blickte Judy scharf an; dann nickte er, und seine Haltung änderte sich. »Also gut«, sagte er. »Ich glaube Ihnen. Kann ich irgend etwas tun, Ihnen diese Aufgabe zu erleichtern?«
Judy überlegte einen Moment. »Ist jedes Gebäude in Ihrer Kommune auf dieser Karte verzeichnet?« »Nein«, sagte der Mann. »Es gibt drei neue Häuser auf der Westseite, gleich hinter dem Obstgarten. Aber versuchen Sie bitte, leise zu sein – in einem der Häuser schläft ein neugeborenes Baby.«
»In Ordnung.«
Sally Dobro, eine FBI-Agentin mittleren Alters, kam zu Judy. »Ich glaube, wir haben hier jedes Gebäude überprüft«, sagte sie. »Kein Anzeichen dafür, daß sich einer unserer Verdächtigen hier aufhält.«
Judy sagte: »Da sind drei Häuser westlich vom Obstgarten -habt ihr die gefunden?«
»Nein«, erwiderte Sally. »Tut mir leid. Ich werde sie sofort überprüfen.«
»Aber seid leise«, sagte Judy. »In einem der Häuser schläft ein Säugling.«
»Alles klar.«
Sally machte sich auf den Weg, und der Mann mit der Decke um die Schultern nickte beifällig.
Judys Mobiltelefon meldete sich. Sie stellte auf Empfang und hörte die Stimme von FBI-Agent Frederick Tan. »Wir haben gerade jedes Gebäude in der Kommune Magic Hill überprüft. Fehlanzeige.«
»Danke, Freddie.«
Im Laufe der nächsten zehn Minuten riefen die Einsatzleiter der anderen Razzien an.
Alle meldeten das gleiche.
Melanie Quercus war nirgends zu finden.
Judy versank in einem Sumpf schwarzer Verzweiflung. »Verdammt noch mal«, sagte sie. »Ich hab‘s vermasselt.«
Michael war nicht minder bestürzt. Besorgt fragte er: »Ob wir eine Kommune übersehen haben? Was meinst du?«
»Entweder das, oder Melanie hat gelogen, was die Gegend betrifft.«
Michael machte ein nachdenkliches Gesicht. »Ich muß gerade an mein Gespräch mit Melanie denken«, sagte er. »Ich habe sie gefragt, wo sie wohnt, aber der Mann hat die Frage beantwortet.«
Judy nickte. »Ich glaube, er hat gelogen. Er ist ein gerissener Mistkerl.«
»Mir ist vorhin sein Name eingefallen«, sagte Michael. »Melanie hat ihn Priest genannt.«
Kapitel 19
Am Samstagmorgen, beim Frühstück im Küchenhaus, erhoben sich Dale und Poem, baten um Ruhe und richteten das Wort an alle anderen. »Wir müssen euch etwas mitteilen«, sagte Poem.
Priest vermutete, daß Poem wieder schwanger war. Er machte sich bereit, Beifall zu spenden, in Jubel auszubrechen und eine kleine Glückwunschrede zu halten, wie man es von ihm erwartete. Er war ohnehin von beinahe überschwenglicher Freude erfüllt. Noch hatte er die Kommune nicht gerettet, doch er stand kurz davor. Sein Gegner mochte noch nicht völlig k.o. sein, lag aber schon am Boden und mühte sich verzweifelt, wieder auf die Beine zu kommen und den Kampf fortzuführen.
Poem zögerte; dann schaute sie Dale an. Dessen Gesicht war ernst. »Wir verlassen heute die Kommune«, sagte er.
Betroffenes Schweigen breitete sich aus. Priest war wie vor den Kopf gestoßen, wütend, fassungslos. Niemand ging einfach von ihm fort – es sei
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