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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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selbstbewußt, wie sie sind – einbilden, sie könnten alles tun, was ihnen beliebt.
    Aber auch Quercus war überrascht. Er machte große Augen und sagte: »Sie sind die FBI-Agentin?«
    Ihr Handschlag verriet Kraft. »Haben Sie noch eine andere erwartet?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Wie Efraim Zimbalist junior sehen Sie nicht gerade aus.«
    Zimbalist war der Schauspieler, der in der langlebigen Fernsehserie FBI den Inspektor Lewis Erskine spielte. »Ich bin jetzt seit zehn Jahren Agentin«, gab Judy sanft zurück. »Können Sie sich vorstellen, wie viele Leute vor Ihnen diesen Witz schon gemacht haben?«
    Zu ihrer Verblüffung reagierte Quercus mit einem breiten Grinsen. »Okay«, sagte er. »Eins zu null für Sie.«
    Das klingt schon besser.
    Ein gerahmtes Foto auf seinem Schreibtisch fiel ihr auf. Es zeigte eine bildhübsche Rothaarige mit einem Kind in den Armen. Über ihre Kinder sprechen die Leute immer gem. »Wer ist denn das?« fragte sie. »Unwichtig. Kommen Sie bitte zur Sache!«
    Auf die freundliche Tour ist bei dem nichts zu erreichen.
    Sie nahm ihn beim Wort und stellte unverblümt die Frage, auf die es ihr ankam: »Ich möchte von Ihnen erfahren, ob eine Terrorgruppe unter Umständen ein Erdbeben auslösen kann.«
    »Haben Sie eine Drohung erhalten?«
    Eigentlich stelle ich hier die Fragen. »Haben Sie es noch nicht mitbekommen? War ein heißes Thema im Radio. Hören Sie die Sendung von John Truth nicht?«
    Quercus schüttelte den Kopf. »Ist die Sache ernst zu nehmen?«
    »Genau das will ich herausfinden.«
    »Okay. Die Antwort lautet kurz und bündig: ja.«
    Judy verspürte einen Anflug von Furcht. Quercus wirkte äußerst sicher. Sie hatte sich die gegenteilige Antwort erhofft. »Und wie läßt sich das bewerkstelligen?«
    »Plazieren Sie eine Atombombe am Grunde eines tiefen Bergwerkschachts, und bringen Sie sie zur Detonation. Dann haben Sie Ihr Erdbeben. Aber vermutlich wollen Sie von mir ein etwas realistischeres Szenario hören.«
    »Ja. Stellen Sie sich einfach vor, Sie wollten ein Erdbeben auslösen.«
    »O ja, ich könnte das.«
    Ist das nicht reine Angeberei? »Erklären Sie mir, wie.«
    »Okay.« Michael Quercus beugte sich hinter seinem Schreibtisch auf den Fußboden. Als er sich wieder aufrichtete, hatte er ein kurzes Brett und einen einfachen Ziegelstein in der Hand, die er dort offenbar für Demonstrationszwecke bereithielt. Er legte das Brett auf den Schreibtisch und den Ziegelstein auf das Brett. Dann hob er das Brett an einem Ende langsam an, bis der Stein ins Rutschen geriet und auf die Schreibtischplatte glitt.
    »Der Stein fängt an zu rutschen, sobald die Schwerkraft, die ihn nach unten zieht, stärker ist als die Reibung, die ihn an Ort und Stelle hält. Ist das soweit klar?« »Natürlich.«
    »Nun gibt es Stellen wie hier bei uns in Kalifornien die St.-Andreas-Spalte, eine Verwerfung, wo zwei Platten der Erdkruste aneinandergrenzen und sich in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Stellen Sie sich zum Beispiel zwei Eisberge vor, die aneinander vorbeischrammen: Hier und da verkeilen sie sich und bleiben stecken. Im Laufe von Jahrzehnten baut sich dann langsam, aber sicher enormer Druck auf.«
    »Und wie führt das zu einem Erdbeben?«
    »Irgendwann tritt ein Ereignis ein, durch das sich die aufgestaute Energie entlädt.«
    Quercus hob das Ende des Bretts erneut an, hielt diesmal aber, kurz bevor der Stein ins Rutschen geriet, inne.
    »An einigen Abschnitten der St.-Andreas-Spalte haben wir diesen Punkt erreicht. Sie können jederzeit in Bewegung geraten -noch in diesem Jahrzehnt, erst im nächsten, wer weiß. Hier, nehmen Sie das mal in die Hand.«
    Er reichte Judy ein ungefähr dreißig Zentimeter langes, transparentes Plastiklineal.
    »Und nun schlagen Sie einmal kräftig auf das Brett, und zwar unmittelbar vor dem Stein.«
    Judy tat es, und der Stein begann zu rutschen.
    Quercus hielt ihn fest. »Wird das Brett gekippt, genügt ein winziger Anstoß, und schon gerät der Stein in Bewegung. Dort, wo die St.-Andreas-Spalte unter gewaltigem Druck steht, genügt ebenfalls nur ein kleiner Stoß, und die verkeilten Platten lösen sich voneinander. Sie geraten ins Rutschen, und die dabei freigesetzte Energie läßt die Erde erzittern.«
    Quercus mochte ja ein grober Kerl sein, doch wenn er über sein Fachgebiet sprach, war es ein reines Vergnügen, ihm zuzuhören. Er verstand es, seine Gedanken klar zu formulieren und sich so
    auszudrücken, daß es nicht herablassend klang.

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