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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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längliche, harte Objekt frei, das in der Höhlung zum Vorschein kam.
    Es war eine Klinge. Sie war aus Bronze oder einem ähnlichen, golden schimmernden Metall. Obwohl sie so lange in der Erde gelegen hatte, war weder Rost noch Grünspan daran. Die Klinge war blattförmig, mit einer langen Rinne in der Mitte, und ohne jede Verzierung; ihre schlanke, geschwungene Form war Schmuck genug. Die Parierstange, im schrägen Winkel angesetzt und in zwei Knäufen endend, war aus demselben Stück gegossen, ohne Ansatz, und das Heft …
    Um das Heft schlossen sich die Finger einer knöchernen Hand.
    Vorsichtig, unendlich vorsichtig, löste Siggi den Griff der Knochenfinger und zog das Schwert hervor.
    Er richtete sich auf und hob die Klinge. In diesem Augenblick brach ein Lichtstrahl hervor und ließ das Schwert aufglänzen, rann wie Feuer und brennendes Gold die Hohlkehle entlang und fing sich in der Spitze. Wahrlich, dies war eine Waffe, die eines Helden würdig war. Und sie sang.
    Es war ein tiefer Ton, ein Summen eher, wie von einer elektrischen Spannung. Sie übertrug sich auf Siggis Hand und seinen Arm und durchfloss ihn, bis sein ganzer Körper unter Strom zu stehen schien. Sie gab ihm Kraft und Zuversicht. Nun würde er alles meistern können, was ihm bevorstand.
    Das Licht verblasste, und das Prickeln auf seiner Haut verschwand.
    Siggi besah sich die Klinge näher. Er konnte keinen Fehler daran sehen, nicht einmal einen Kratzer. Das Schwert wirkte so neu, als sei es gerade erst aus der Esse des Schmiedes gekommen. Er hob den Daumen, um die Schärfe der Schneide zu prüfen.
    »Das würde ich nicht tun«, sagte Amergin.
    Siggi hatte den Alten ganz vergessen. Der kleine, dunkle Mann stand hinter ihm; er hatte den Bemühungen des Jungen wortlos zugesehen und war erst jetzt, als das Schwert ans Licht kam, nahezu lautlos hinzugetreten.
    »Und wieso nicht?«, fragte Siggi, ohne einen Blick von der Klinge zu nehmen.
    »Habe ich dir nicht gesagt? Die Wunden, die dieses Schwert schlägt, werden niemals heilen.«
    »Oh«, sagte Siggi und ließ rasch die Hand sinken.
    »Hier, ich habe eine Scheide für das Schwert mitgebracht. Darin kannst du es tragen.«
    Er reichte Siggi ein längliches Objekt, das mit Leder bezogen war; als der Junge es entgegennahm, spürte er einen festen Kern unter der Lederhülle, Holz vermutlich. Siggi schob das Schwert hinein, und es passte genau. Die Scheide war fest mit einem Gürtel verbunden, den Siggi sich um die Hüften schlang.
    »Du hast das alles schon vorher gewusst, nicht wahr?«, fragte er. »Und genau geplant?«
    »Ich habe es gehofft«, sagte der Druide. »Und es ist immer besser, auf alles vorbereitet zu sein.« Er warf einen prüfenden Blick zum Himmel. »Wir sollten uns beeilen, von hier wegzukommen. Es wird bald regnen.«
    Inzwischen hatten die Wolken, die von Westen heraufgezogen waren, den ganzen Himmel bedeckt. Wind war aufgekommen, peitschte die spärlichen Gräser, die hier wuchsen, und pfiff zwischen den Steinen. Die Wolken rasten mit einer Geschwindigkeit über den Himmel, dass man meinte, zu fliegen, und ein Geschmack wie von feuchter Wolle lag in der Luft, der von Regen kündete.
    »Lass mich das Grab noch zuschaufeln«, sagte Siggi und machte sich gleich ans Werk, die Höhlung unter dem Felsen wieder mit Sand zu füllen. »Immerhin ist es eines Königs Hand, die hier begraben liegt.«
    Er beeilte sich, so gut er konnte. Selbst wenn er jetzt das Schwert eines Helden trug, mochte es besser sein, rasch einen schützenden Wald zu suchen. Er blickte nach Westen. Dort, wo die fahle Helle über dem Land lag, lag nur freies, baumloses Land.
    Der Gedanke, auf offenem Feld einem Unwetter preisgegeben zu sein, ließ ihn schaudern.



6
Ein Sturm über Connacht
    Hier gab es nichts. Das war der erste Schock gewesen, als der Wirbel, der sie hinweggetragen hatte, sie wieder entließ. Sie hatte sich auf einer weiten, verkarsteten Ebene wiedergefunden, auf der kein Baum wuchs, kein Strauch. Eine riesige Öde, durchzogen von schmalen, lang gestreckten Klüften, die in unergründliche Tiefen führten, wannenförmigen Becken und kleinen schüssel- oder trichterförmigen Hohlräumen, die das Gestein auf Schritt und Tritt durchlöcherten.
    Damals hatte sie noch keinen Blick gehabt für die Farbtupfer, die zwischen den ausgewaschenen Kalksteinfelsen erblühten: die blauen Glocken des Frühlingsenzians, der weißlich-purpurne Steinbrech, Silberwurz und Kuckucksknabenkraut, selbst eine Vielzahl wilder

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