Die Kinder von Erin (German Edition)
Gegenzug.
»Kannst du Harfe spielen?« Der Druide ließ nicht locker.
Siggi grinste. »Wie ein Engelchen im Himmel. E-Gitarre, Mann. Heavy Metal. Tam-ta-tam-ta-tam – do-do- doooo ! Na ja, einfache Griffe«, fügte er hinzu.
Der Druide war leicht irritiert, und sein nächster Zug erschien Siggi nicht ganz so überlegt. Er konterte mit einem Doppelsprung.
»Kannst du kämpfen?«, fragte Amergin, während er Siggis ersten Stein schlug.
Diese Lektion hatte Siggi gelernt. »Ja«, sagte er einfach, »wenn es sein muss.« Und zog seinen Stein ein Feld zurück.
»Das gilt nicht«, erklärte der Druide verärgert. »Du kannst immer nur in eine Richtung ziehen.«
»Oh-oh.« Siggi schüttelte den Kopf. »Davon war nicht die Rede. Und was nach den Regeln nicht verboten ist, ist erlaubt. Oder willst du als Spielverderber dastehen?«
Der Alte blickte mit gerunzelter Stirn auf das Spielfeld. Siggis unerwarteter Zug hatte die ganze Stellung verändert. Wenn er jetzt selbst dem Beispiel des Jungen folgte, konnte er den drohenden Verlust seines vordersten Spielsteins verhindern. Er legte den Finger auf den Stein.
»Du hast mich noch gar nicht gefragt, ob ich kochen kann«, fuhr ihm Siggi in seine Überlegungen hinein. »Und ob! Spagetti Bolognese. Al dente! «
Amergin machte seinen Zug. Blitzschnell, noch ehe der Alte begriff, wie ihm geschah, hatte Siggi die Gelegenheit ausgenutzt und mit einem Vierfachsprung über die eigenen und gegnerischen Steine das andere Ende des Spielfeldes erreicht.
»Und außerdem bin ich Jugendmeister im Schachclub von Odenhausen!«
Der Alte wich zurück. Ein paar Augenblicke sagte er gar nichts; dann begann er mit geschlossenen Augen zu summen, eine Melodie, die Hagen an irgendetwas erinnerte, doch an was, hätte er nicht sagen können. Ihm war, als hätte er diese Weise schon irgendwann einmal gehört, wie etwas, das man im Traum vernimmt, aber beim Erwachen vergessen hat.
»Samíldanach«, sagte er dann. »Ein Meister jeglicher Kunst.« Er öffnete die Augen. »Dein Gesicht glüht«, stellte er fest.
Siggi griff sich an die Wangen. In der Tat, sein Gesicht war ganz heiß. Und seine Ohren vermutlich auch, vor Aufregung, weil er es nach dem ersten verpatzten Wettkampf mit dem Alten diesem nun so richtig gezeigt hatte.
»So war es an dem Abend, als der Sohn des Lichts nach Tara kam«, fuhr Amergin fort. »Es strahlte so hell, dass die Wachen am Tor zueinander sagten: ›Seit wann geht die Sonne im Osten unter und nicht im Westen?‹ Doch es war nur Lugh, der von Meer her kam und dessen Gesicht leuchtete wie die Sonne.«
»Lugh?« War das wieder eine neue Geschichte? »Wer war Lugh?«
»Der Sohn Machas der Goldhaarigen, der Kriegsgöttin von Erin. Wer sein Vater war, weiß keiner. Einige sagen, er sei der Sohn Nuadus selbst gewesen. Andere behaupten, er stamme von Balor, dem König der Fomorier, ab; doch wer glaubt, dass die Fomorier mit den Tuatha Dé Danann Kinder zeugen können, der muss schon sehr einfältig sein. Aber es ist wohl wahr, dass er nur von einer Seite von den Kindern der Göttin Dana abstammte, auf der anderen jedoch aus einem Volk der Erde und des Dunkels, wie die Sonne am Abend immer ins Dunkel hinabsinkt, um am nächsten Morgen wiedergeboren zu werden.«
Siggi ließ sich von der dichterischen Sprache diesmal nicht einlullen. »Du meinst, von den Firbolg?«
Der Druide hob die Brauen, sagte aber nichts dazu. Siggi dachte sich seinen eigenen Teil dazu. Wenn es wirklich stimmt, sagte er sich, dass du diese ganze Geschichte miterlebt hast, alter Mann, wie immer du heißt, dann hattest du bestimmt auch da deine Finger im Spiel.
»Von Gestalt glich er einem jungen Mann«, fuhr der Alte fort, »und er war gewandet wie ein König, und so trat er vor das Tor von Tara und begehrte Einlass. Und als die Türsteher ihn fragen, wer und von welcher Herkunft er sei, da sprach er: ›Lamfada werde ich genannt, der mit der langen Hand, und ich bin der Ziehsohn Taltius, der Tochter des Königs der Großen Ebene, und Manannán Mac Lirs, des Herrn der Insel.‹
›Was kannst du?‹, fragten darauf die Türsteher, denn es gab ein Gesetz, dass keiner, der sich nicht auf eine Kunst verstehe, in Tara eingelassen werde.
›Fragt mich‹, antwortete Lugh. ›Ich bin ein Handwerker.‹
›Wir haben bereits einen Handwerker‹, antworteten sie, ›Goibniu den Schmied.‹
›Fragt mich. Ich bin ein Kräuterkundiger.‹
›Wie haben bereits einen Kräuterkundigen, Diancécht den
Weitere Kostenlose Bücher