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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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das ist lange her.« Die Alte wiegte den Kopf. »Das war, als die Fomorier wieder ins Land kamen. Bres hat sie uns auf den Hals gehetzt, der Schönling, der Geizkragen, der Unglücksbringer. Nachdem sie ihn abgesetzt hatten, verstehst du?«
    Gunhild verstand nichts, aber um die Alte zum Weiterreden zu bringen, murmelte sie so etwas wie: »Ja und dann?«
    »Also, der Dagda ging zu ihrem Lager, zu den Fomoriern, um sie auszuspionieren und sie aufzuhalten, bis die Männer von Erin bereit für die Schlacht wären. Aber die Fomorier wollten sich über ihn lustig machen, verstehst du, und so kochten sie eine Suppe für ihn; denn der Dagda liebte eine gute Suppe, immer schon, ich weiß …«
    Sie versank ins Träumen, raffte sich dann aber wieder auf.
    »Und so füllten sie alle Kessel, die sie hatten, mit Milch und Mehl und Fett, bis zum Rand, und sie taten ganze Ziegen und Schafe und Schweine hinein. Dies war die Gastfreundschaft der Fomorier; denn, so sagten sie, sie wollten sich nicht lumpen lassen, nachdem die Tuatha Dé Danann ihren König Bres wegen seines Geizes verjagt hätten. Und Indech, einer ihrer Anführer, sagte zum Dagda: ›Wenn du einen Tropfen davon übrig lässt, werden wir dich töten!‹
    Und dann schaufelten sie eine tiefe Grube, hörst du, Schätzchen, und da hinein gossen sie die Suppe, und sie gaben dem Dagda einen Löffel, der war so groß, dass ein Mann und eine Frau gemeinsam darin liegen konnten um zu … he-he-he, na, du weißt schon …«
    Sie schaute Gunhild von der Seite an, aber die tat ihr nicht den Gefallen zu erröten.
    »Aber er hat die Suppe ausgelöffelt, der Dagda, bis auf den Grund, und den Kies auf dem Grund der Grube ebenso. Und sein Bauch war so voll, dass er bis auf den Boden hing, und so schwer, dass seine Füße in die Erde sanken. Und sie jagten ihn mit Hohn und Spott davon. Aber als er den Wald verließ, wo das Lager der Fomorier war, da traf er auf die Mórrigan.«
    »Die Mórrigan?«
    »Ja, die Mórrigan, die große Königin, die Krähe der Schlacht. Aber du musst sie gesehen haben, mein Hühnchen, wenn du ihn gesehen hast. Sie fuhr auf ihrem Wagen, dem Streitwagen mit dem Roten Stier und der Braunen Kuh …«
    »Ich habe nichts gesehen«, sagte Gunhild.
    Die Caillech verzog das Gesicht. »Nichts sehen, nichts hören, nichts reden, was? Aber ich weiß, was sie gesagt hat, mein Täubchen.« Ihre Stimme sank zu einem Flüstern:
    »Ich sehe eine Welt,
die mir nicht lieb ist:
Sommer ohne Blumen,
Kühe ohne Milch,
Frauen ohne Zucht,
Jeder Mann ein Verräter,
Jeder Knabe ein Mörder …
Eine üble Zeit.«
    Gunhild wurde es langsam etwas unheimlich zumute. Die Alte war offensichtlich nicht nur ein bisschen verrückt. Und dennoch, auch wenn sie sich sicher war, in ihrem Traum nichts dergleichen gehört zu haben, kamen ihr die Worte bekannt vor. Aber vielleicht war es auch nur dieser Ort, an dem alles wie ein Echo von etwas anderem wirkte, von Taten und Schicksalen, die sich in einer fernen Zeit ereignet hatten.
    Sie erinnerte sich an das Lied der Harfe, mit dem alles angefangen hatte. Und plötzlich ging ihr auf, dass diese seltsame, berückende Melodie eine perfekte Begleitung zu den Zeilen gebildet hätte, die sie soeben gehört hatte.
    Aber nein, dachte sie, das war ein schönes Lied gewesen, ein zauberhafter Klang; nicht zu vergleichen mit diesen schrecklichen Worten. Sie schüttelte den Gedanken ab.
    »Hunger?«, fragte die Alte.
    Gunhild nickte. Erst jetzt merkte sie plötzlich, wie hungrig sie mit einem Mal wieder war.
    »Die Reise in die Geisterwelt strengt an, was?« Die Caillech hielt ihr ein Schüsselchen hin, in dem ein weißlicher Brei schwamm. Es war ein grob gemahlenes Getreide, in Milch gequollen. Und es war salzig! Aber die Milch schmeckte würzig, und nach der ersten Überraschung stellte Gunhild fest, dass man sich daran gewöhnen konnte.
    »Hier, zieh, das an!« Die Alte reichte ihr ein Kleid aus einem hellen Stoff, einer Art Leinen. Gunhild sah sich um, wo sie sich anziehen könnte, aber an ein Badezimmer hatte man hier offensichtlich nicht gedacht. So zog sie sich einfach das zerrissene Nachthemd über den Kopf und streifte sich das Kleid über. Es kratzte nur ein bisschen. Sie hätte sich gerne gewaschen, aber das musste warten.
    Die Schuhe, welche die Alte ihr hinstellte, waren nicht mehr als Lederlappen mit verstärkten Sohlen, mit dünnen Riemen zusammengeschnürt. Gunhild hatte ein wenig Mühe, sie zu befestigen, schaffte es aber schließlich doch. Ihre

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