Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
tun, was Vater Kessian will, denn sonst weiß die Autorität nicht, wo sie uns finden kann.«
Gorian funkelte ihn an, dann nickte er. Kovan entspannte sich.
»Los jetzt«, sagte er.
»Sie kommen.« Mirron deutete zum Hügel.
Arducius blickte hinauf. Reiter strömten über die Kuppe. Viele Reiter.
»Wer sind sie?«, fragte er.
»Das ist egal«, sagte Kovan im Befehlston. »Lasst uns gehen. Beeilt euch.«
Er hetzte die Straße hinauf, die links neben dem Forum entlangführte. Das war der schnellste Weg zur Villa, wo sie hoffentlich in Sicherheit waren. Vor ihnen herrschte heillose Verwirrung. Rennende, laufende und rufende Menschen kreuzten ihren Weg. Die meisten wollten nach Hause, aber viele rannten einfach nur vor den Reitern davon, Richtung Westfallen oder zum Strand hinunter.
Arducius vergewisserte sich, dass die anderen dicht bei ihm blieben. Mirrons Gesicht spiegelte die Angst wider, die er selbst empfand. Ossacer benutzte die Energiebahnen in der Luft, um den Weg zu finden, hielt sich zur Sicherheit aber an Arducius’ Arm fest. Gorians Gesicht war dunkel und zornig. Wütend blickte er zu den Eindringlingen hinauf, wer sie auch waren. Arducius betete, dass es sich um Truppen der Advokatur handelte. Wenn es der Orden war, dann steckten sie in großen Schwierigkeiten.
Durch die Tageshitze und das schnelle Laufen begann er zu schwitzen. Die Schweißtropfen rannen ihm über den Rücken, an den Seiten herunter und übers Gesicht. Er war den anderen voraus, Vasselis’ Soldaten bildeten die Nachhut. Die Leute gingen ihnen aus dem Weg und riefen, sie sollten sich verstecken, weglaufen und verschwinden.
Am Forum bogen sie nach links ab und rannten eine steile, enge Pflasterstraße hinauf. Kovan behielt das Tempo bei, die Aufgestiegenen folgten ihm. Laut hallten die Stiefel der Soldaten auf dem Stein. Seine Angst nahm mit jedem Schritt zu. Schließlich verließen sie die Straße und eilten durch die Felder zur Villa. Am Horizont erschien eine dunkle Linie, die sich rasch nach rechts ausbreitete.
»Oh nein«, sagte Kovan. »Schneller, schneller.«
Es waren noch mehr Reiter. Sie hatten die Straße verlassen und kamen durch die Felder herüber, um den Fluchtweg zum See und zum Fluss in Richtung Glenhale abzuschneiden. Arducius’ Herz hämmerte, als würde es gleich zerspringen. Die Unsicherheit, die sich in der Stadt ausbreitete, konnte er körperlich spüren. Der Boden bebte unter den Hufschlägen. All diese Eindrücke prallten in ihm zusammen, als lägen die Lebenslinien miteinander im Widerstreit und rissen sich gegenseitig ins Unglück. Seine Brust wurde eng.
Inzwischen waren sie oberhalb der Stadt und in der Nähe der Villa. Die ersten Reiter hatten schon das Zentrum von Westfallen erreicht. Sie wandten sich zum Haus der Masken, umrundeten Vasselis’ Villa und kreisten die Stadt auf der Landseite völlig ein. Panik lag in der Luft, und Arducius spürte, dass Mirron zu schnell atmete.
»Ruhig, Mirron«, redete er auf sie ein. »Es wird alles gut.«
»Sie wollen uns holen«, sagte sie. »Die wollen uns abholen.«
»Sie werden euch nicht bekommen«, versprach Kovan, der sich kurz umgedreht hatte. »Lauft weiter, ich beschütze euch.«
Sie waren jetzt auf freiem Feld und rannten, so schnell sie konnten. Die Villa war nur noch ein paar Hundert Schritte entfernt; auf dem Grundstück und vor den Mauern standen Vasselis’ Soldaten bereit. Gerade rannten drei durchs Haupttor heraus und wandten sich nach rechts. Fünf Reiter kamen den Weg herauf. Sie wurden angerufen, dass sie anhalten sollten, doch sie ignorierten die Rufe.
Darauf zogen die Kämpfer ihre Schwerter, und der Stahl funkelte im Sonnenlicht. Arducius hielt den Atem an. Die Reiter hielten immer noch nicht an. Die Soldaten machten sich bereit. Es gab ein Getümmel, als die beiden Gruppen aufeinander trafen. Eine Klinge fuhr in das Gesicht eines Soldaten, der Hieb riss ihn von den Beinen, er ging taumelnd zu Boden und blieb hinter den Pferden leblos liegen. Blut. Überall auf dem sandigen Boden war Blut.
Mirron kreischte und blieb stolpernd stehen, die Hände vor den Mund gepresst. Arducius wurde übel. Auf der anderen Seite der Villa kamen weitere Reiter. Sie schienen überall zu sein, und alle Pferde trugen als Brandzeichen einen Kreis aus Armen mit verschränkten Händen.
Kovan blieb stehen und streckte die Arme zu beiden Seiten aus, um die Aufgestiegenen aufzuhalten. Zwei Soldaten seines Vaters bauten sich mit gezogenen Schwertern neben ihm
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