Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
dass die Aufgabe der Siebentausend tatsächlich vor allem darin bestanden hatte, Robertos Armee möglichst lange aufzuhalten. Jetzt traf er unerwartet und ohne Vorwarnung ein und konnte nur hoffen, dass einige dem Zerstörungswerk entkommen waren und die Nachricht zu ihren Befehlshabern in den Armeen im Süden überbracht hatten. Eine Invasionsarmee, deren Krieger sich ängstlich über die Schulter umsahen – das war eine Wendung zum Guten.
Zwei Tagesmärsche jenseits der Straße, die Kirriev mit Byscar verband, wo die Gegner höchstwahrscheinlich angreifen würden, entdeckte Roberto die ersten Spuren von Kämpfen. Er marschierte mit seiner Truppe durch das Herolodustal und hatte die Berge von Kark im Rücken. Rechts erstreckten sich die südlichen Ebenen von Atreska, links strömte träge der breite und tiefe Herol.
Seit drei Tagen fiel ein kalter Regen, wie Arducius es vorhergesagt hatte, und er war guter Dinge. Der Regen hatte die staubige Erde benetzt, sodass er sich mit seiner Truppe unbemerkt längs der Grenze bewegen konnte.
Die Hälfte seiner Kavallerie war in Trupps von jeweils dreißig Reitern eingeteilt, die dafür sorgten, dass aus Richtung der südlichen Ebene kein Hinterhalt drohte. Seine Späher hatten über die Lage auf der Hauptstraße berichtet.
Am Abend breitete er auf dem Esstisch in seinem Zelt Landkarten aus und lud neben seinen kommandieren Offizieren auch Jhered und Arducius ein, mit ihm zu essen, zu trinken und zu planen. Ossacer half Dahnishev im Operationszelt, Mirron war bei den Schmieden. Jhered hatte vorgeschlagen, die Aufgestiegenen auf diese Weise einzubinden, und es schien sich auszuzahlen. Obwohl die Bürger immer noch große Ängste hegten, begegneten sie den Aufgestiegenen, die ja tatsächlich bezaubernde Kinder waren, allmählich etwas freundlicher, auch wenn die Soldaten nur selten lächelten.
»Dies sind nicht die besten Karten, aber man kann immerhin das Gelände erkennen«, sagte Roberto.
Er blickte kurz zu Arducius, der jetzt nur ein aufgeregtes Kind war, eingeschüchtert von der Umgebung und nur mühsam die Fassung wahrend. Kaum zu glauben, dass der Junge solche Kräfte besaß.
»Die Tsardonier sind im Süden, nicht weit von uns entfernt, nach Gestern vorgestoßen. Sie verfügen über keinen bedeutenden Nachschub aus Atreska, und von dem, was sie hatten, haben wir ihnen noch einiges weggenommen. Den Berichten nach ziehen sie jenseits von Kirriev nach Süden. Wahrscheinlich wollen sie direkt nach Portbrial. Sie werden überall auf Widerstand stoßen, aber wenn die Einschätzungen stimmen, dass sie etwa zwölftausend Kämpfer stark sind, dann kann niemand sie aufhalten.«
»Demnach haben sie ihre Verbände nicht wie erwartet zusammengezogen«, sagte Davarov.
»Nein, es ist sogar noch schlimmer. Sie verfügen über mehr Kämpfer, als wir anfangs vermutet haben. Die gute Neuigkeit ist allerdings die, dass die Grenze an der Hauptstraße nach Kirriev noch hält. Dort gibt es Befestigungen, und Marschallin Mardov hat all ihre Truppen aufgeboten. Im Westen liegen die Berge, und der Weg ist bis zum Hafen gesichert.«
»Hatten wir schon Kontakt mit den Verteidigern?«, fragte Jhered.
»Nein«, erwiderte Roberto. »Ich wollte es nicht riskieren, Späher einzusetzen. Dort unten rücken bis zu dreißigtausend kampfbereite Tsardonier vor, und wenn sie bisher nicht wissen, dass wir kommen, dann will ich ihnen jetzt noch keine Hinweise geben, indem ich ihnen einen Späher ausliefere.«
»Ist denn überhaupt denkbar, dass sie uns nicht längst bemerkt haben?«, wandte Neristus ein. »Unser Zug ist fast drei Meilen lang, wir haben scheppernde Infanterie, schnaubende Pferde und ratternde Wagen. Ich kann das kaum glauben.«
»Niemand ist so blind wie der Mann, der nichts zu sehen erwartet.«
»Wohl eine Perle atreskanischer Weisheit, Davarov?«, fragte Roberto.
Davarov lächelte. »Davon haben wir viele. Ich muss Rovan allerdings zustimmen. Ich kann kaum glauben, dass kein einziger tsardonischer Späher unserem Netz entkommen ist.«
»Ich weiß nicht«, meinte Elise Kastenas. »Völlig ausschließen würde ich es nicht. Wir haben hier nicht viel vom Feind gesehen. Die Nachschubeinheiten, die wir angegriffen haben, waren sehr schlecht bewacht und hastig zusammengestellt. Das spricht nicht gerade für taktische Klugheit, sondern eher für schlechte Planung.«
»Also …« Arducius legte eine Hand vor seinen Mund. »Entschuldigung.«
Roberto deutete auf die Karte. »Keineswegs,
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