Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
er auf Urlaub gewesen war, hatten sich er und seine alten Schulfreunde viel zu erzählen gehabt. »Dann sind wir zurückgegangen. Das heißt, du und deine Freunde ihr seid losgegangen, und ich bin euch gefolgt, mit dem Ball, den du uns gekauft hattest... und dann ist etwas passiert, das ich irgendwie verdrängt hatte...«
»Was denn?« Rebus konzentrierte sich auf das Rennen. »Wir sind zu einem Pub gekommen. Erinnerst du dich, er war in einem Eckhaus?« »Das Bowhill Hotel?« »Genau. Vor dem Pub hast du dich zu mir umgedreht, auf mich gezeigt und mir gesagt, ich soll draußen warten. Deine Stimme war plötzlich ganz anders, viel unfreundlicher, so als wolltest du nicht, dass deine Freunde dachten, wir wären auch Freunde...« »Bist du dir sicher, dass es so war, Allan?« »Völlig sicher. Ihr drei seid hinein gegangen, und ich habe draußen gewartet. Ich habe den Ball fest gehalten, und nach einer Weile bist du wieder rausgekommen, aber nur, um mir eine Tüte Chips zu geben. Dann bist du wieder rein, und dann tauchten ein paar andere Jungen auf, und einer von ihnen hat unseren Ball weggekickt, und dann rannten sie alle mit ihm die Straße hinunter. Ich fing an zu heulen und wollte nicht mehr warten, aber ich durfte ja nicht in den Pub. Also bin ich allein losgegangen. Unterwegs habe ich mich dann verirrt und musste jemanden nach eurer Straße fragen.« Die Rennwagen rasten auf die Stelle zu, wo sich die Fahrspuren begegneten. Sie kamen gleichzeitig dort an, stießen zusammen, sprangen aus ihrer Fahrspur und landeten verkehrt herum auf dem Boden. Einen Augenblick lang herrschte auf dem Dachboden Stille.
»Irgendwann bist du dann nach Hause gekommen, und niemand hat wegen der Sache etwas zu dir gesagt, weil ich nichts gesagt hatte. Und weißt du, was für mich am schlimmsten war? Du hast nicht gefragt, was mit dem Ball passiert war, und ich wusste auch, wieso du nicht gefragt hast. Weil du ihn komplett vergessen hattest. Er war dir völlig egal.« Renshaw verstummte kurz. »Und ich war wieder nur ein kleiner Junge, statt dein Freund zu sein.«
»Mein Güte, Allan...« Rebus versuchte sich zu erinnern, aber vergebens. Bei ihm war von dem Tag im Gedächtnis geblieben, dass sie bei Sonnenschein Fußball gespielt hatten, mehr nicht. »Es tut mir Leid«, sagte er schließlich.
Tränen rannen Renshaws Wangen hinunter. »Wir waren Verwandte, John, und du hast mich wie den letzten Dreck behandelt.« »Glaub mir, Allan, ich habe bestimmt nicht gewollt -« »Hau ab!«, brüllte Renshaw schniefend. »Verschwinde aus meinem Haus - sofort!« Er hatte sich ungelenk erhoben. Rebus war ebenfalls aufgestanden, und die Männer standen einander steifbeinig gegenüber, den Kopf wegen der Dachbalken gesenkt, den Rücken gekrümmt. »Hör zu, Allan, wenn ich irgend -« Aber Renshaw hatte ihn an der Schulter gepackt und schob ihn zur Luke. »Schon gut, schon gut«, sagte Rebus. Als er versuchte, sich aus dem Griff des anderen zu befreien, stolperte Renshaw, und eins seiner Beine fiel durch die Luke. Rebus fasste ihn am Arm, und seine Finger brannten, als er fest zupackte. Renshaw rappelte sich wieder hoch. »Alles in Ordnung?«, fragte Rebus.
»Hast du mich nicht verstanden?« Renshaw zeigte auf die Leiter. »Wie du willst, Allan. Aber lass uns demnächst noch mal drüber reden, okay? Denn nur deshalb bin ich hergekommen: um mit dir zu reden, dich besser kennen zu lernen.« »Du hattest die Gelegenheit, mich besser kennen zu lernen«, sagte Renshaw kühl. Rebus stieg die Leiter hinunter. Er spähte durch die Öffnung nach oben, aber sein Cousin war nicht zu sehen. »Kommst du auch runter, Allan?«, rief er. Keine Antwort. Dann das summende Geräusch, als der Rennwagen wieder
losfuhr. Rebus drehte sich um und ging ins Erdgeschoss. Er war sich unsicher, was er tun sollte, ob er Allan in dessen Zustand guten Gewissens allein lassen konnte. Er ging ins Wohnzimmer und von dort in die Küche. Der Rasenmäher draußen war noch immer nicht weggestellt worden. Auf dem Tisch lagen A4-Blätter, Computerausdrucke. Formulare einer Unterschriftensammlung für Waffenkontrolle, für bessere Sicherheitsvorkehrungen an Schulen. Bisher standen noch keine Namen darauf, die vielen Reihen aus Kästchen waren leer. Genau dasselbe hatte es nach Dunblane gegeben. Eine Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen. Ergebnis? Mehr illegale Waffen im Land als je zuvor. Rebus war klar, dass man sich in Edinburgh, sofern man wusste, wo man zu fragen hatte, in
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