Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Webcam«, flüsterte sie. Sie sah eine Übertragung in Echtzeit aus einem Zimmer. Und sie wusste sogar, wessen Zimmer es war. Das Scheinwerferlicht hatte ausgereicht. Sie stand auf, ging zum Telefon und wählte eine Nummer.
Siobhan stöpselte den Computer ein und startete ihn neu. Das Notebook stand auf einem Stuhl - das Kabel war nicht lang genug, um von Rebus' Telefonbuchse bis zum Esstisch zu reichen. »Wirklich sehr geheimnisvoll«, sagte er, als er ein Tablett brachte - für jeden von ihnen einen Becher Kaffee. Sie roch Essig: wahrscheinlich hatte es Fish & Chips gegeben. Sie musste an die Bratnudeln bei sich zu Hause denken, und ihr wurde klar, wie ähnlich sie einander waren - Essen zum Mitnehmen, niemand, der zu Hause auf einen wartete... Er hatte offenbar Bier getrunken, denn neben seinem Sessel stand eine leere Flasche Deuchars auf dem Fußboden. Und Musik gehört: die Best-of-CD von Hawkwind, die sie ihm zu seinem letzten Geburtstag geschenkt hatte. Vielleicht hatte er sie auch gerade erst aufgelegt, damit sie glaubte, er würde sie regelmäßig hören.
»Gleich geht's los«, sagte sie nun. Rebus hatte die Musik ausgestellt und rieb sich die Augen mit seinen bloßen, glühend heiß aussehenden Händen. Kurz vor zehn. Als sie angerufen hatte, saß er schlafend in seinem Sessel und hätte nichts dagegen gehabt, bis zum nächsten Morgen dort zu bleiben. Weniger aufwändig, als sich auszuziehen. Weniger aufwändig, als Schuhbänder aufzubinden und an Knöpfen herumzufummeln. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht aufzuräumen. Dafür kannten sich Siobhan und er zu gut. Aber er hatte die Küchentür geschlossen, damit sie das schmutzige Geschirr nicht sah. Wenn sie es sähe, würde sie anbieten abzuwaschen, und das wollte er nicht.
»Jetzt muss ich nur noch ins Netz gehen.« Rebus hatte sich einen der Esstisch-Stühle geholt, um sich draufzusetzen. Siobhan kniete vor dem Notebook auf dem Boden. Sie veränderte den Neigungswinkel des Bildschirms ein wenig, und er ließ sie mit einem Nicken wissen, dass er gut sah.
WILLKOMMEN IN MEINER FINSTERNIS!
»Der Alice-Cooper-Fanclub?«, riet er.
»Warten Sie einen Moment.« »Die königliche Blindengesellschaft?« »Wenn ich auch nur eine Sekunde lang lächele, haben Sie die Erlaubnis, mir mit dem Tablett eins überzubraten.« Sie lehnte sich ein wenig zurück. »Da... schauen Sie sich's an.« Das Zimmer lag nicht mehr vollständig im Dunkeln. Jemand hatte Kerzen angezündet. Schwarze Kerzen. »Teri Cotters Zimmer«, stellte Rebus fest. Siobhan nickte. Rebus betrachtete die flackernden Kerzen. »Eine Filmaufnahme?« »Das ist live, sofern ich mich nicht völlig irre.« »Und das bedeutet?« »An ihren Computer ist eine Webcam angeschlossen. Von der stammen die Aufnahmen. Als ich mir vorhin die Seite zum ersten Mal angeschaut habe, war das Zimmer dunkel. Anscheinend ist sie inzwischen nach Hause gekommen.« »Soll das irgendwie interessant sein?«, fragte Rebus. »Manche Leute schauen sich so etwas gerne an. Manche von denen bezahlen sogar dafür.« »Aber wir bekommen die Show gratis geboten?« »Offenbar.« »Glauben Sie, dass sie die Kamera ausschalten wird, wenn sie reinkommt?« »Dann wäre das Ganze doch völlig witzlos.« »Sie lässt die Kamera ständig laufen?« Siobhan zuckte die Achseln. »Vielleicht finden wir's bald heraus.« Teri Cotter war auf dem Bildschirm erschienen und vollführte ruckartige Bewegungen, denn die Kamera übertrug nur eine Abfolge von Einzelaufnahmen, zwischen denen jeweils ein kurzer Augenblick verstrich. »Kein Ton?«, erkundigte sich Rebus.
Siobhan glaubte es nicht, stellte aber trotzdem den Lautstärkeregler höher. »Kein Ton«, bestätigte sie. Teri hatte sich im Schneidersitz auf das Bett gesetzt. Sie trug dieselben Sachen wie bei dem Gespräch der beiden mit ihr. Es sah aus, als schaue sie in die Kamera. Sie beugte sich vor und streckte sich dann der Länge nach aus, das Kinn in die Hände gestützt, das Gesicht nun dicht vor der Kamera. »Wie ein Stummfilm«, sagte Rebus. Siobhan wusste nicht, ob er damit die Bildqualität oder den fehlenden Ton meinte. »Was wird eigentlich von uns erwartet?« »Wir sind ihr Publikum.« »Sie weiß, dass wir hier sitzen?« Siobhan schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich hat sie keine Möglichkeit herauszufinden, wer zuschaut - und ob das überhaupt jemand tut.« »Aber Derek Renshaw hat zugeschaut?« »Das nehme ich an.« »Glauben Sie, dass sie es wusste?« Siobhan zuckte die Achseln und
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