Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)
noch mal an der Kette. Das Rohr ist frei. Alles ist in Ordnung.
»Ich habe das gefunden«, sagt er zu Inés. Er hält ihr das noch tropfende Ding hin. »Kommt es Ihnen bekannt vor?«
Sie wird rot, steht wie eine ertappte Sünderin vor ihm, weiß nicht, wohin blicken.
»Machen Sie das gewöhnlich – die da in der Toilette hinunterspülen? Hat Ihnen niemand gesagt, dass man das nie machen darf?«
Sie schüttelt den Kopf. Ihre Wangen sind gerötet. Der Junge zieht ängstlich an ihrem Rock. »Inés!«, sagt er. Sie tätschelt geistesabwesend seine Hand. »Es ist nichts, mein Schatz«, flüstert sie.
Er schließt die Badtür, zieht sein verdrecktes Hemd aus und wäscht es im Waschbecken. Es gibt keine antibakterielle Seife, nur die Seife vom Verpflegungsstützpunkt, die alle benutzen. Er wringt das Hemd aus, spült es, wringt es wieder aus. Er wird ein feuchtes Hemd anziehen müssen. Er wäscht sich die Arme, wäscht sich in den Achselhöhlen, trocknet sich ab. Vielleicht ist er nicht so sauber, wie er sich wünscht, doch wenigstens riecht er nicht nach Scheiße.
Inés sitzt auf dem Bett, hat den Jungen an die Brust gedrückt wie ein Baby und schaukelt vor und zurück. Der Junge döst, ein Speichelfaden hängt ihm am Mund. »Ich gehe jetzt«, flüstert er. »Rufen Sie mich, wenn Sie mich wieder brauchen.«
Als er später über den Besuch bei Inés nachdenkt, fällt ihm auf, was für eine seltsame Episode das in seinem Leben gewesen ist, wie unvorhersehbar. Als er diese junge Frau zum ersten Mal auf dem Tennisplatz gesehen hat, so kühl, so gelassen, wer hätte da für möglich gehalten, dass ein Tag kommen würde, an dem er ihre Scheiße von seinem Körper abwaschen musste! Was würden sie im Institut daraus machen? Ob die Dame mit dem stahlgrauen Haar dafür ein Wort hätte: das Kackhafte von Kacke?
Siebzehn
» W enn es Erleichterung ist, was du suchst«, sagt Elena, »wenn das Leben dadurch, dass du dich erleichtern kannst, für dich einfacher wird, dann gibt es Orte, wo ein Mann hingehen kann. Haben deine Freunde dir nicht davon erzählt, deine Männerfreunde?«
»Kein Wort. Was meinst du denn genau mit Erleichterung?«
»Sexuelle Erleichterung. Wenn du sexuelle Erleichterung suchst, brauche ich nicht der einzige Anlaufhafen zu sein.«
»Entschuldige«, sagt er steif. »Ich wusste nicht, dass du es so betrachtest.«
»Sei nicht beleidigt. Es gehört zum Leben dazu: Männer brauchen Erleichterung, das wissen wir alle. Ich sage dir nur, was du in der Angelegenheit tun kannst. Es gibt Orte, wo du hingehen kannst. Frag deine Freunde im Hafen, oder wenn es dir zu peinlich ist, frag im Umsiedlungszentrum.«
»Sprichst du von Bordellen?«
»Nenn sie Bordelle, wenn du willst, aber aus dem, was ich höre, schließe ich, dass an ihnen nichts Anrüchiges ist, sie sind recht sauber und angenehm.«
»Tragen die zur Verfügung stehenden Mädchen Uniform?«
Sie sieht ihn fragend an.
»Ich meine, haben sie eine einheitliche Bekleidung, wie Krankenschwestern? Mit einheitlicher Unterwäsche?«
»Das wirst du selbst herausfinden müssen.«
»Und ist das ein anerkannter Beruf, in einem Bordell zu arbeiten?« Er weiß, dass er sie mit seinen Fragen irritiert, doch er ist wieder in dieser Stimmung, der rücksichtslosen, bitteren Stimmung, die ihn geplagt hat, seit er das Kind weggegeben hat. »Ist das etwas, was ein Mädchen machen und sich trotzdem mit erhobenem Haupt in der Öffentlichkeit zeigen kann?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagt sie. »Finde es selbst heraus. Und nun musst du mich entschuldigen, ich erwarte einen Schüler.«
Als er Elena erzählt hat, er wisse nichts von Orten, wo Männer hingehen können, hat er eigentlich gelogen. Álvaro hat kürzlich einen Klub für Männer erwähnt, nicht weit vom Hafen, Salón Confort genannt.
Von Elenas Wohnung geht er geradewegs zum Salón Confort.
Freizeit-und Erholungszentrum
steht auf dem Schild am Eingang eingraviert.
Öffnungszeiten 14 Uhr – 2 Uhr. Montags geschlossen. Zutritt vorbehalten. Mitgliedschaft auf Antrag.
Und in kleinerer Schrift:
Persönliche Beratung. Stressmanagement. Physiotherapie.
Er stößt die Tür auf. Er steht in einem kahlen Vorraum. An einer Wand befindet sich eine Polsterbank. Der mit REZEPTION beschriftete Schalter ist bis auf ein Telefon leer. Er setzt sich und wartet.
Es dauert lange, bis jemand aus einem hinteren Zimmer auftaucht, eine Frau mittleren Alters. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen«, sagt sie. »Was
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