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Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Titel: Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Coetzee
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Arenas geschickt zu werden. Nicht weil es ein Abladeplatz ist, sondern weil er zu jung ist, um von seinen Eltern getrennt zu werden.«
    »Warum hast du dich dann nicht gegen diese Richter gewehrt? Warum hast du gekatzbuckelt und gesagt
Sí señor, Sí señor?
Glaubst du nicht an den Jungen?«
    »Natürlich glaube ich an ihn. Ich glaube, dass er außergewöhnlich ist und außergewöhnliche Behandlung verdient. Aber diese Leute haben das Gesetz hinter sich, und wir haben keine Möglichkeit, das Gesetz herauszufordern.«
    »Selbst wenn das Gesetz schlecht ist?«
    »Es ist keine Frage von Gut oder Schlecht, Inés, es ist eine Frage der Macht. Wenn du fortläufst, setzen sie die Polizei auf dich an und die Polizei wird dich finden. Du wirst als Mutter für ungeeignet erklärt und das Kind wird dir weggenommen. Er wird nach Punta Arenas geschickt und du bist in einen Kampf um das Fürsorgerecht verwickelt.«
    »Sie werden mir mein Kind niemals wegnehmen. Eher sterbe ich.« Ihr Busen wogt. »Warum hilfst du mir nicht, statt die ganze Zeit ihre Partei zu ergreifen?«
    Er streckt die Hand aus, um sie zu beruhigen, doch sie schüttelt ihn ab und sinkt aufs Bett. »Lass mich in Ruhe! Du glaubst nicht wirklich an das Kind. Du weißt nicht, was es heißt, zu glauben.«
    Der Junge beugt sich zu ihr und streichelt ihr Haar. Auf seinen Lippen liegt ein Lächeln. »Schsch«, sagt er; »schsch.« Er legt sich neben sie; sein Daumen wandert in den Mund; seine Augen nehmen einen glasigen, abwesenden Ausdruck an; innerhalb von Minuten ist er eingeschlafen.

Siebenundzwanzig
    Á lvaro ruft die Schauerleute zusammen. »Freunde«, sagt er, »es gibt etwas zu besprechen. Wie ihr euch erinnern werdet, hat unser Kamerad Simón vorgeschlagen, dass wir das Löschen der Fracht per Hand aufgeben und stattdessen einen mechanischen Kran benutzen.«
    Die Männer nicken. Einige blicken in seine Richtung. Eugenio lächelt ihm zu.
    »Nun, heute habe ich eine Neuigkeit für euch. Ein Kamerad vom Straßenbau sagt mir, dass sie einen Kran in ihrem Depot haben, der seit Monaten nicht benutzt worden ist. Wenn wir ihn für einen Versuch ausleihen wollen, sagt er, können wir ihn haben.
    Was sollen wir tun, Freunde? Sollen wir das Angebot annehmen? Sollen wir ausprobieren, ob, wie Simón behauptet, ein Kran unser Leben ändern wird? Wer möchte zuerst sprechen? Simón, du?«
    Er ist völlig überrumpelt. Seine Gedanken sind in Anspruch genommen durch Inés und ihre Fluchtpläne; seit Wochen hat er keinen Gedanken an Kräne oder Ratten oder die Ökonomie des Getreidetransports verschwendet; in der Tat ist er inzwischen so weit, dass er die immer gleiche Schufterei braucht, damit sie ihn erschöpft und ihm den Segen tiefen, traumlosen Schlafs bringt.
    »Ich habe alles gesagt«, ist seine Antwort.
    »Wer sonst?«, fragt Álvaro.
    Eugenio meldet sich zu Wort. »Ich sage, wir sollten den Kran ausprobieren. Unser Freund Simón hat einen klugen Kopf auf den Schultern. Wer weiß, er könnte recht haben. Vielleicht sollten wir wirklich mit der Zeit gehen. Wir werden es nie sicher wissen, wenn wir es nicht ausprobieren.«
    Zustimmendes Murmeln der Männer.
    »Wollen wir dann den Kran ausprobieren?«, fragt Álvaro. »Soll ich unseren Kameraden beim Straßenbau beauftragen, ihn zu bringen?«
    »Jawohl!«, sagt Eugenio und hebt die Hand. »Jawohl!«, sagen die Schauerleute im Chor und heben ihre Hände. Sogar er, Simón, hebt die Hand. Der Vorschlag wird einstimmig angenommen.
    Der Kran kommt am nächsten Morgen auf der Ladefläche eines Lasters. Er war einmal weiß gestrichen, doch die Farbe ist abgeblättert und das Metall rostig. Er sieht aus, als hätte er sehr lange draußen im Regen gestanden. Er ist auch kleiner, als er erwartet hatte. Er läuft auf rasselnden Stahlschienen; der Führer sitzt in einer Kabine über den Schienen und bedient die Schalter, die den Arm drehen und die Winde bewegen.
    Es braucht fast eine Stunde, um die Maschine von der Ladefläche des Lasters herunterzuhieven. Álvaros Freund vom Straßenbau möchte so schnell wie möglich weg. »Wer wird ihn bedienen?«, fragt er. »Ich gebe ihm eine schnelle Einweisung in die Funktion der Schalter, dann muss ich los.«
    »Eugenio!«, ruft Álvaro. »Du hast dich für den Kran ausgesprochen. Möchtest du ihn gern bedienen?«
    Eugenio blickt in die Runde. »Wenn kein anderer sich meldet, mache ich es.«
    »Gut! Dann bist du der Mann.«
    Eugenio lernt schnell, wie sich herausstellt. In kürzester Zeit

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