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Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition)

Titel: Die Kindheit Jesu: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Coetzee
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er befürchtet hat, von Tischen und Stühlen. Er legt es beiseite. »Tut mir leid, aber das ist nicht meine Art von Philosophie.«
    »Welche Art von Philosophie würde dir denn gefallen?«, fragt Eugenio.
    »Die Art, die einen erschüttert. Die das Leben verändert.«
    Eugenio schaut ihn verwundert an. »Stimmt denn etwas nicht mit deinem Leben?«, fragt er. »Abgesehen von deinen Verletzungen.«
    »Es fehlt etwas, Eugenio. Ich weiß, dass es nicht so sein sollte, aber es ist so. Das Leben, das ich habe, ist nicht genug für mich. Ich wünschte, jemand, ein Retter, ein Heiland, käme vom Himmel herab, schwenkte einen Zauberstab und sagte:
Siehe, lies dieses Buch und alle deine Fragen werden beantwortet.
Oder:
Siehe, hier ist ein völlig neues Leben für dich.
Du verstehst solche Äußerungen nicht, oder?«
    »Nein, das kann ich nicht behaupten.«
    »Mach dir nichts draus. Es ist eine flüchtige Stimmung. Morgen bin ich wieder der Alte.«
    Er solle sich auf seine Entlassung vorbereiten, sagt ihm sein Arzt. Hat er eine Bleibe, wo er hingehen kann? Gibt es jemanden, der für ihn kocht, der ihn versorgt, ihm hilft, über die Runden zu kommen, während er auf dem Weg der Genesung ist? Ob er mit einem Sozialarbeiter sprechen möchte? »Kein Sozialarbeiter«, antwortet er. »Lassen Sie mich die Angelegenheit mit meinen Freunden besprechen und eine Lösung suchen.«
    Eugenio bietet ihm ein Zimmer in der Wohnung an, die er sich mit zwei Kameraden teilt. Er, Eugenio, wird gern auf dem Sofa schlafen. Er dankt Eugenio, lehnt aber ab.
    Auf seine Bitte hin erkundigt sich Álvaro nach Pflegeheimen. Die Westsiedlung hat eine Einrichtung, die, obwohl sie für die Betreuung alter Menschen gedacht ist, auch Genesende aufnimmt. Er bittet Álvaro, seinen Namen auf die Warteliste der Einrichtung zu setzen. »Ich schäme mich etwas, das zuzugeben«, sagt er, »aber ich hoffe, dass es dort recht bald einen freien Platz gibt.« »Wenn es keine Böswilligkeit in deinem Herzen gibt, ist das eine zulässige Hoffnung«, bestärkt ihn Álvaro. »Zulässig?«, fragt er nach. »Zulässig«, bestätigt Álvaro.
    Dann sind plötzlich alle seine Nöte fortgeblasen. Aus dem Korridor dringen helle junge Stimmen zu ihm. Clara erscheint in der Tür. »Du hast Besuch«, verkündet sie. Sie macht Platz und Fidel und David kommen hereingestürzt, gefolgt von Inés und Álvaro. »Simón!«, schreit David. »Bist du wirklich ins Meer gefallen?«
    Sein Herz tut einen Sprung. Vorsichtig streckt er die Arme aus. »Komm her! Ja, ich hatte einen kleinen Unfall, ich bin ins Wasser gefallen, aber kaum nass geworden. Meine Freunde haben mich herausgezogen.«
    Der Junge klettert auf das hohe Bett, stößt ihn an, was ihm schmerzhafte Stiche versetzt. Aber der Schmerz ist nichts. »Mein lieber Junge! Mein Schatz! Licht meines Lebens!«
    Der Junge löst sich aus seiner Umarmung. »Ich bin entkommen«, verkündet er. »Ich hab dir ja gesagt, ich würde entkommen. Ich bin durch den Stacheldraht gegangen.«
    Entkommen? Durch Stacheldraht gegangen? Er ist verwirrt. Wovon redet der Junge? Und warum diese seltsame neue Bekleidung: ein enger Rollkragenpullover, kurze (sehr kurze) Hosen, Schuhe mit kleinen weißen Söckchen, die ihm kaum über die Knöchel reichen? »Vielen Dank, dass ihr gekommen seid, ihr alle«, sagt er, »aber David – woraus bist du entkommen? Sprichst du von Punta Arenas? Haben sie dich nach Punta Arenas gebracht? Inés, hast du zugelassen, dass sie ihn nach Punta Arenas bringen?«
    »Ich habe es nicht zugelassen. Sie sind gekommen, als er draußen gespielt hat. Sie haben ihn in einem Auto mitgenommen. Wie sollte ich sie aufhalten?«
    »Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass es dazu kommen würde. Aber du bist entkommen, David? Erzähl mir davon. Erzähl mir, wie du entkommen bist.«
    Aber Álvaro schaltet sich ein. »Bevor wir dazu kommen, Simón, können wir deinen Umzug besprechen? Wann wirst du laufen können, was glaubst du?«
    »Kann er nicht laufen?«, fragt der Junge. »Kannst du nicht laufen, Simon?«
    »Nur für die allernächste Zeit werde ich Hilfe brauchen. Bis alle Schmerzen verschwunden sind.«
    »Wirst du in einem Rollstuhl gefahren werden? Kann ich dich schieben?«
    »Ja, du kannst mich in einem Rollstuhl schieben, wenn du nicht zu schnell bist. Auch Fidel kann mich schieben.«
    »Ich frage deshalb«, sagt Álvaro, »weil ich wieder mit dem Pflegeheim gesprochen habe. Ich habe ihnen gesagt, dass du wieder vollständig gesund werden

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