Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
Schalentiere. Das hab ich fast freundlich angemerkt. Daraufhin hieß es, ich hätte keinen Geschmack. Ich habe im Gegenzug massiv Ramonas Stehlampe im Flur in Frage gestellt. Daraufhin wurden mir meine Ex-Freundinnen vorgehalten, mit denen ich auf dem Sessel ja sicher schon rumgevögelt hätte. Ich sagte, wenn es danach ginge, bräuchten wir auch eine neue Waschmaschine. Da flog eine der Schalen, die eigentlich für Oliven gedacht sind.
Gott sei Dank können Frauen nicht werfen . Aber wie reagiert der erwachsene Mann? Zurückwerfen? Schwierig. Wettsaufen und Armdrücken fallen aus. Kleider, Kinder und lustige Hüte passen auch nicht wirklich. Keins der gängigen Verhaltensmuster passt. Unser Streit wurde mit zunehmender Dauer zäh und unverständlich wie ein polnischer Problemfilm. Wie eigentlich immer zwischen Männern und Frauen.
Mich wundert es deswegen nicht, dass Frauen es schwer haben, in Führungspositionen aufzusteigen: Sobald die ersten Streitpunkte auftauchen, endet es doch so wie bei Ramona und mir: Wir reden nicht, haben keinen Sex, und der Sessel steht immer noch da. Wenn man das aufs gesellschaftliche Leben überträgt, dann erklärt sich auch, warum wir beim Fußball ganz vorne sind (es gibt getrennte Männer- und Frauenmannschaften), die Bundesregierung aber einfach nichts gebacken kriegt.
Mit Männern ordentlich streiten ist wie mit Bleifüßen ordentlich schwimmen. Es geht nicht, und nach spätestens einer Minute fragt man sich, wie man überhaupt auf die dusselige Idee gekommen ist.
Normalerweise hat Streit in einer Beziehung ja einen bestimmten Zweck: ein Missverständnis klären, Wut abbauen, einen Kompromiss finden – oder zumindest die Aussicht auf hemmungslosen Versöhnungssex.
Wenn Rainer und ich uns streiten, beziehungsweise wenn ich versuche, mich mit ihm zu streiten, klärt das gar nichts, ich werde noch wütender als vorher, und die Vorstellung von Sex mit Rainer macht mich ungefähr so an wie ein Foto von Guido Westerwelle.
Dabei liegt es wirklich nicht an mir. Ich weiß , dass es nichts bringt, einem Mann jahrelang etwas vorzujammern und dabei still vor sich hin zu hoffen, dass er etwas ändert. Wenn man etwas geändert haben will, muss man als Frau seine Wünsche klar und deutlich formulieren. Darum habe ich Rainer auch klar und deutlich gesagt, dass sein alter Sessel hässlich ist und wegmuss. Ich bin davon ausgegangen, dass Rainer so reagiert, wie er das immer macht, wenn ein Streit in der Luft liegt: kurz versuchsweise dagegen argumentieren … und dann ist der Sessel weg.
In dem Sesselfall funktionierte das allerdings nicht. Rainer fing ernsthaft an, seinen ollen Sessel zuerst schönzureden, dann auf ihm zu beharren und das Ding schließlich sogar zu verteidigen. Einen Sessel! Einen Sessel, der schon lange vor mir in seinem Leben war! Ein Sessel, auf dem er vermutlich mit mindestens drei seiner Exfreundinnen Sex hatte! Und der war ihm wichtiger als ich! Noch unerhörter: Dieses alte, versiffte Möbelstück war es ihm wert, einen Streit mit mir anzufangen, was bei ihm ungefähr so oft vorkommt wie dezent unterdrücktes Rülpsen.
Während Rainer noch redete, ging es mir inzwischen schon lange nicht mehr um die Frage, warum ihm der Sessel so wahnsinnig wichtig war, sondern warum ich ihm so wahnsinnig scheißegal war, was ich ihn dann auch ganz offen fragte. Offenheit ist bei einem Streit sehr wichtig, finde ich. Rainer fand, dass ich vom Thema wegdrifte, woraufhin ich klarstellte, dass ich ja auch ganz generell wegdriften könnte, aus seiner Wohnung, seinem Leben und überhaupt, und allem Anschein nach wäre ihm das völlig wumpe, solange nur der Sessel weiterhin bei ihm bliebe. Den würde er ja verteidigen, der würde ja aus irgendwelchen Gründen dafür sorgen, dass er sich wohl fühlt, was ich ja offenbar auch nach vier Jahren noch nicht geschafft hätte, denn mich hätte er in dieser Zeit nicht einmal auch nur ansatzweise so leidenschaftlich verteidigt wie seinen doofen Fick-Sessel!
Es war wirklich keine Absicht, dass mir in dem Moment die Tränen kamen. Ich verachte Frauen, die ihre Wünsche durch gezieltes Weinen durchsetzen. Trotzdem sorgte die Feuchtigkeit in meinem Gesicht dafür, dass Rainer den Sessel dann doch in den Keller bringen wollte. Das wollte ich jetzt aber nicht mehr. Nicht so.
Ein Mann soll nicht kapitulieren, weil die Frau weint, sondern weil sie recht hat.
Bevor ich das männerkompatibel im Kopf vorformuliert hatte, hörte ich Rainer allerdings
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