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Die Klassefrau

Die Klassefrau

Titel: Die Klassefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Michelle
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»Und du wusstest, dass es passieren würde, hab ich Recht?«
    »Seit Jahren«, erwiderte Mallory achselzuckend und schob sich einen Bissen von ihrem Huhn in den Mund. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie oft ich von einem Flugzeugabsturz während eines Schneesturms geträumt habe. Ich habe meine Familie händeringend angefleht, niemals im Winter zu fliegen, und sie haben sich daran gehalten. Sie haben mir vertraut, verstehst du.«
    Übelkeit stieg in ihm auf. »Was ist passiert?«
    »Ich hatte den Schnee gesehen und automatisch an Winter gedacht. Ich habe sie immer wieder vor dem Winter gewarnt. Ihr Flugzeug ist während eines späten Schneesturms im Frühling über Colorado abgestürzt. Einhundertsechsundfünfzig Menschen kamen ums Leben.«
    Peter stieß einen Fluch aus.
    Mallory lächelte ein wenig schief. »Vermutungen können eine üble Sache sein, nicht wahr? Trink deinen Tee.«
    Peter trank seinen Tee. »Und wer ist das?«, fragte er und zeigte auf das Foto, auf dem die etwa zwanzigjährige Mallory mit einer jungen Asiatin zu sehen war.
    »Claire Wu, meine beste Freundin seit der Highschool. Ein betrunkener Fahrer hat sie vor vier Jahren überfahren, als sie die Straße überquerte. Auf dem Bild daneben ist meine Zimmergenossin aus dem College zu sehen. Ariel Klieg. Sie starb während des Erdbebens 1989 , als die Autobahn I- 880 in Oakland ihr Auto zerquetschte.«
    »Ist irgendjemand aus deinem Leben eines natürlichen und schmerzlosen Todes gestorben?«
    »Großonkel Mallory hatte mit sechsundachtzig Jahren einen Herzinfarkt. Der Arzt hat uns versichert, dass er nichts gespürt hat.«
    »Toll. Wer ist das?« Peter deutete auf einen lächelnden jungen Adonis mit schwarzen Locken.
    »Carlo Cortese, mein Beinahe-Ehemann.«
    Tee schwappte auf Peters Hand.
    »Was ist?«, fragte Mallory mit einem ironischen Lächeln. »Hast du etwa geglaubt, ich sei unberührt und hätte atemlos und mit jungfräulicher Erwartung all die Jahre nur auf dich gewartet?«
    »Ich habe nicht weiter darüber nachgedacht«, gab Peter zu, aber das war eine Lüge. Natürlich hatte er darüber nachgedacht … hatte gehofft … sich gewünscht , dass sie auf ihn gewartet hatte. »Hast du ihn geliebt?«
    »Das habe ich zumindest geglaubt. Jedenfalls hatte ich nicht die Angewohnheit, jeden Mann, der mir über den Weg lief, heiraten zu wollen.«
    »Er war sehr … attraktiv«, gab Peter widerstrebend zu. Der Kerl war ein muskulöser Latino mit einem strahlenden Lächeln und lockigem Haar, das zweifellos in den meisten Frauen das Bedürfnis auslöste, ihre Finger hindurchgleiten zu lassen.
    »Außerdem war es lustig mit ihm, und aufregend, und er gab mir ein Gefühl von Lebendigkeit.«
    Hoffnung keimte in ihm auf. »Aber du hast ihn nicht geliebt«, sagte Peter und versuchte, seine Ungläubigkeit zu verbergen. Mein Gott, in gewisser Weise war sie unberührt!
    Mallory seufzte resigniert. »Nein, ich habe ihn nicht geliebt, jedenfalls nicht auf die Weise, die du meinst. Ich musste allerdings erst einige Jahre um ihn trauern, bis ich es herausgefunden habe. Ich hatte einen Märtyrer, einen Halbgott aus ihm gemacht und ihn auf ein Podest gestellt, so dass kein anderes männliches Wesen ihm das Wasser reichen konnte. Aber dann fielen mir so nach und nach einige seiner Schwächen wieder ein.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel seine idiotische Überzeugung, dass ihm nichts etwas anhaben konnte.« Mallory nippte mit ausdrucksloser Miene an ihrem Tee. »Ich nehme an, man muss ein gewisses Selbstvertrauen haben, um ein guter Rennfahrer zu sein. Und er war einer der besten. Er stand auf Platz sechs der Weltrangliste, als er vor sieben Jahren tödlich verunglückte. Aber er hatte eben diese dumme Angewohnheit, meine Warnungen nicht ernst zu nehmen, weil sie nicht in sein Weltbild passten. Ich habe ihm nicht nur das Rennen, sondern auch die genaue Stunde, ja, sogar die Minute vorhergesagt, in der sich der Unfall ereignen würde, aber er ist trotzdem gefahren. Er hat noch zwei andere Wagen mitgerissen, bevor er gegen die Mauer prallte. Carlo war tot, bevor ihn die Rettungsmannschaft aus den Trümmern seines Wagens geborgen hat.«
    »Hast du es gesehen?«
    Mallory gab noch etwas Huhn auf ihren Reis. »Ich hatte es oft genug in meinen Träumen gesehen, deshalb konnte ich sehr gut auf die Realität verzichten. Carlo war ein sehr egoistischer Mann. Er ist gestorben, hat seinen besten Freund zum Krüppel gemacht und mich auch fast umgebracht, weil ich so schrecklich

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