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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Kopf zurück und betrachtete mich. Er hatte einen erstaunlich kleinen Kopf für einen so großen Mann; hätte er ein Hemd oder eine Jacke getragen (was er natürlich nie tat), wäre man zu glauben versucht gewesen, es sei gepolstert.
    »Ja, Meister.«
    »Willst du dich nicht anbieten, das für mich zu erledigen? Ein junger Bursche wie du, voller Saft. Sag nicht, du bist noch unbehaart.«
    Endlich verstand ich, was er meinte, und erwiderte, ich hätte nicht gewußt, das sei zulässig, da ich noch ein Lehrling sei; falls er es aber beföhle, würde ich selbstverständlich gehorchen.
    »Das würdest du bestimmt. Sie ist nicht schlecht, weißt du. Aber groß, und ich mag keine großen Weiber. Da war vor einer Generation oder so der Bastard eines Beglückten in dieser Familie, darauf kannst du dich verlassen. Blut lügt nicht, sagt man, obwohl nur wir die volle Bedeutung davon ermessen können. Willst du es tun?«
    Er hielt mir den Becher hin, und ich goß ein. »Wenn Ihr’s wünscht, Meister.« In Wahrheit schien es mir höchst verlockend, da ich noch keine Frau besessen hatte.
    »Kannst nicht. Ich muß. Was, wenn man von mir Rechenschaft verlangte? Außerdem muß ich es bestätigen – die Papiere unterzeichnen. Seit zwanzig Jahren bin ich Meister der Gilde und habe noch nie Papiere gefälscht. Du glaubst wohl, ich kann’s nicht.«
    Dieser Gedanke war mir ebensowenig durch den Kopf gegangen wie das Gegenteil (daß er noch über etwas Potenz verfüge) hinsichtlich Meister Palaemon, dessen weißes Haar, hängende Schultern und Augenglas den Eindruck erweckten, er sei schon immer altersschwach gewesen.
    »Nun, schau her!« sagte Meister Gurloes und wuchtete sich aus dem Stuhl.
    Er war einer von jenen, die selbst dann, wenn sie stark trunken sind, gerade gehen und deutlich sprechen können, und er schritt recht zuversichtlich zu einem der Wandschränke, obschon ich für einen Moment dachte, er würde den blauen Porzellantiegel, den er herausnahm, fallenlassen.
    »Dies ist eine seltene und starke Droge.« Er hob den Deckel ab und zeigte mir ein dunkelbraunes Pulver. »Es wirkt immer. Du wirst es eines Tages brauchen, also solltest du Bescheid wissen. Nimm nur so viel, wie unter deinen Fingernagel geht, auf eine Messerspitze, verstehst du? Nähmst du zuviel, könntest du dich ein paar Tage lang nicht mehr aus dem Haus trauen.«
    »Ich werd’s mir merken, Meister«, entgegnete ich.
    »Natürlich ist es ein Gift. Das sind sie alle, und das ist das beste – ein bißchen mehr als das brächte einen um. Und man darf es erst nach dem Mondwechsel wieder nehmen, verstanden?«
    »Vielleicht solltet Ihr Euch die Dosis von Bruder Corbinian abwiegen lassen, Meister.« Corbinian war unser Apotheker; ich hatte schreckliche Angst, Meister Gurloes würde vor meinen Augen einen Löffel voll schlucken.
    »Ich? Ich brauch’s nicht.« Verächtlich schloß er den Deckel und knallte den Tiegel aufs Regal im Schrank.
    »Das ist gut, Meister.«
    »Außerdem …« – er winkte mir – »habe ich das.« Aus seiner Gürteltasche zog er einen eisernen Phallus. Er hatte eine Länge von ungefähr eineinhalb Spannen und war an der Wurzel mit einem Lederriemen versehen.
    Es muß euch idiotisch vorkommen, die ihr dies lest, aber zunächst habe ich mir trotz der übertriebenen, wirklichkeitsgetreuen Nachbildung nicht vorstellen können, wozu er gut sei. Ich hatte eine unsinnige Ahnung, daß der Wein ihn kindisch gemacht hätte wie einen Knaben, der annimmt, es gäbe keinen wesentlichen Unterschied zwischen seinem hölzernen Roß und einem echten Reittier. Mir war zum Lachen zumute.
    ›»Mißbrauchen‹, so nennen sie es. Hier, siehst du, haben sie uns einen Ausweg offengehalten.« Er klatschte mit dem eisernen Phallus in die Hand – die gleiche Geste, fiel mir ein, wie der Menschaffe, der mich mit seiner Keule bedroht hatte. Jetzt hatte ich verstanden. Ekel packte mich.
    Aber diesen Ekel würde ich jetzt nicht einmal empfinden, wäre ich wieder in der gleichen Situation. Ich hatte nicht Mitleid mit der Klientin, denn an sie dachte ich überhaupt nicht; mich stieß lediglich ab, daß Meister Gurloes trotz seiner Leibesfülle und großen Kraft gezwungen war, sich auf das braune Pulver zu verlassen, und noch schlimmer, auf den eisernen Phallus, den er mir zeigte, dieses Ding, das von einer Statue hätte abgesägt sein können und es vielleicht auch war. (Dennoch sah ich ihn bei anderer Gelegenheit, als die Sache unverzüglich angegangen werden mußte,

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