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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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fest, dass der Plastiksack aus mehreren blauen Mülltüten besteht, die mit farblosem Klebeband aneinandergeklebt wurden.
    Wir schneiden ihn der Länge nach vorsichtig auf. Im Innern ist alles mit Blut verschmiert. Auch der Kopf und das Gesicht des Toten, der rücklings auf dem Tisch liegt, sind mit Blut verklebt.
    Dennoch erkennt ihn Bartusch anhand des Porträtfotos in seinem Personalausweis zweifelsfrei wieder. »Das ist Sven Habert«, sagt er. »Wie erwartet.«
    Damit ist die Frage nach der Identität des Toten beantwortet. Doch die Anspannung hält uns alle weiter in Bann.
    Im Kopfbereich des Plastiksacks befinden sich insgesamt sieben kleinere, durchsichtige Plastiktüten. Alle sind durch Knoten verschlossen; fünf von ihnen sind ballonartig aufgebläht wie von einem farblosen Gas. Die beiden anderen sind zerfetzt und leer.
    »Die gefüllten Tüten werden asserviert und toxikologisch untersucht«, wende ich mich an die Sektionsassistentin.
    Seine Arme hat Sven Habert vor der Brust verschränkt. In der totenstarren linken Hand hält er ein kurzes Klappmesser mit gelben Griffschalen. Der Tote umklammert das Messer wie einen Stift, so dass nur die dreieckige Spitze zwischen Mittel- und Zeigefinger hervorschaut. Die Hände und das Messer sind gleichfalls mit Blut verschmiert.
    Auch nachdem wir den Toten entkleidet haben, sind keine äußeren Verletzungen zu sehen. Das Blut stammt also offenbar nicht von Wunden, die sich Sven Habert selbst mit dem Messer beigebracht hat. Es muss aus seinem Mund und aus seiner Nase hervorgequollen sein, die noch immer mit blutigem Schleim verklebt sind.
    Die Körpervorderseite und die linke Gesichtshälfte weisen Totenflecken in kräftigem Rot auf. Auch die Haut der Fingernagelbetten ist intensiv rot gefärbt.
    Ich schaue Oberkommissar Bartusch an. »Wie es für mich im Moment aussieht«, sage ich, »wollte sich der Mann nicht einfach durch Überstülpen der Tüte ersticken. Er wollte sich selbst vergiften – und dafür hat er diese kleineren Tüten mit irgendeinem hochgiftigen Gas gefüllt und um seinen Kopf herum in dem zusammengeklebten Plastiksack deponiert.«
    Mit dem Skalpell zeige ich auf die durchsichtigen Plastiktüten, die wir auf einer Bahre neben dem Sektionstisch abgelegt haben.
    »Mit dem Messer«, fahre ich fort, »wollte er dann vermutlich eine Tüte nach der anderen aufstechen und das Gas direkt neben seinem Gesicht herausströmen lassen. Aber nachdem er die zweite Tüte zerstochen hatte, ist er offenbar schon bewusstlos geworden.«
    »Sie glauben also, dass diese kleinen Tüten mit einem giftigen Gas gefüllt sind?«, fragt Bartusch. »Haben Sie auch schon eine Idee, um was für ein Gas es sich dabei handeln könnte?«
    Mein Kollege und ich sehen uns kurz an.
    »Kohlenmonoxid«, sage ich.
    Dr. Lilienthal nickt bekräftigend. »Die hellroten Leichenflecken und die auffällige Rötung unter den Fingernägeln sind typisch für eine Kohlenmonoxid-Vergiftung. Und der Austritt von blutigem Schleim aus Nase und Mund würde auch dazu passen«, erklärt er.
    Kriminalkommissarin Pauly schüttelt sich. »Wozu diese aufwendige und makabre Inszenierung?«, fragt sie. »Wenn er sich schon selbst töten wollte – warum hat er sich nicht einfach mit der Plastiktüte erstickt?«
    Weder Dr. Lilienthal noch ich kommen dazu, ihr gleich zu antworten. Wir öffnen gerade die Brust- und Bauchhöhle des Toten, und was wir im Innern des Körpers vorfinden, bestätigt unseren Verdacht.
    Das Leichenblut ist kirschrot. Herz, Lunge und andere lebenswichtige Organe weisen eine akute Blutstauung auf.
    Ein orientierender Schnelltest der Kohlenmonoxid-Konzentration im Herzblut beseitigt unsere letzten, ohnehin nur noch hypothetischen Zweifel. Bei diesem von einigen Kollegen auch »Formaldehyd-Probe« genannten Test gibt man Herzblut und Formalin zu gleichen Teilen in ein Reagenzglas, verschließt dieses mit einem Stopfen und schüttelt es kräftig. Wenn es sich um kohlenmonoxidhaltiges Blut handelt, ist die Blutprobe nach dem Durchmischen dunkelrot gefärbt. Zur Kontrolle macht man das Gleiche mit Herzblut einer Person, die sicher nicht an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung verstorben ist. Diese Kontrollprobe hat nach dem Durchmischen eine helle, schmutzig graubraune Farbe.
    »Sven Habert ist eindeutig an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben«, bekräftige ich. »Höchstwahrscheinlich hat er das Gas zu Hause in seiner Küche hergestellt und in die Tüten abgefüllt. Als Ausgangssubstanzen haben

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