Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
darüber sehr glücklich gewesen. Elsa Borger lebe allerdings in Madrid und sei mit einem Spanier verheiratet. »Sie wollte ihre beiden Kinder nicht aus der gewohnten Umgebung reißen, und genauso wenig wollte sich Christoph durch einen Umzug nach Madrid von seinen Kindern trennen. Soweit ich weiß, haben sich die beiden in den zurückliegenden Monaten nur ein einziges Mal getroffen. Aber sie haben jeden Tag telefoniert, sich Mails und SMS geschickt.«
»Und der Ehemann von Elsa Borger?«, fragt Kriminaloberkommissar Gartner. »Wie stand der zu der Beziehung zwischen Kästner und seiner Frau?«
Sandra Waldig-Kästner schüttelt den Kopf. »So genau weiß ich das auch nicht. Aber soweit ich es mitbekommen habe, ist er wohl ziemlich eifersüchtig.«
Die Ermittler geben ein Foto des Toten an die Medien und bitten die Öffentlichkeit um Mithilfe. Dringend gesucht werden Zeugen der nächtlichen Bluttat, aber auch Personen, die Christoph Kästner am Vorabend gesehen haben. Vielleicht hat er ja seinen Mörder in einer Kneipe kennengelernt, und irgendjemand hat die beiden bemerkt. Doch der Aufruf erbringt keine verwertbaren Hinweise.
Weiteren Aufschluss über Kästners »leidenschaftliche Fernbeziehung« gewinnen die Ermittler durch die Untersuchung seines Notebooks. Auf der Festplatte finden sich Hunderte von Mails, die er an Elsa Borger geschickt und von ihr erhalten hat. Über viele Monate haben sich die beiden schwärmerische Mails geschrieben, in denen sie ihre Erlebnisse schilderten und einander ihre Liebe beteuerten. Doch ein halbes Jahr vor Kästners Tod brach der Schriftwechsel abrupt ab.
Ihr Mann Pablo sei durch Zufall auf ihre Mails gestoßen, schrieb Elsa in der letzten Nachricht, die Christoph Kästner auf seinem Notebook abgespeichert hat. Pablo sei furchtbar aufgebracht und gekränkt. Er bestehe darauf, dass sie die Beziehung zu dem ihm unbekannten Mann auf der Stelle beende – anderenfalls werde er sich von ihr scheiden lassen. Aus Angst, von ihren Kindern getrennt zu werden, habe sie eingewilligt.
Den beiden Kriminalkommissaren ist sofort klar, dass dies möglicherweise eine heiße Spur ist: Ein nicht unbeträchtlicher Teil aller Gewaltverbrechen wird von eifersüchtigen Ehemännern und ausgebooteten Liebhabern verübt.
»Vielleicht haben sich die beiden heimlich weiterhin geschrieben und miteinander telefoniert«, überlegt Oberkommissar Gartner. »Und als der spanische Ehemann gemerkt hat, dass ihn seine Frau immer noch mit ihrem deutschen Internet-Lover hintergeht, da sind bei ihm die Sicherungen durchgeknallt.«
Hauptkommissar Haack schaut ihn nachdenklich an. »So könnte es gewesen sein«, sagt er. »Aber zunächst einmal ist das nur ein vager Verdacht.«
Als Anhang zu ihren Mails hat Elsa Borger ihrem Berliner Freund auch mehrfach Fotos von ihrem Ehemann geschickt. Er heißt mit vollem Namen Pablo Raúl Bandera, ist 46 Jahre alt, schwarzhaarig und von bulliger, untersetzter Gestalt. Von Beruf ist er Techniker und arbeitet bei Seat in Madrid.
Die Kommissare lassen die Passagierlisten der Flugzeuge überprüfen, die in den Tagen vor Kästners Ermordung, von Madrid aus kommend, auf einem der Berliner Flughäfen gelandet sind. Wenig später liegt das Ergebnis vor: Pablo Bandera ist am Tag des Mordes, mit einem Billigflieger aus Madrid kommend, nachmittags auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld gelandet. Tags darauf ist er gegen 12 Uhr mit derselben Linie nach Madrid zurückgeflogen. Das Ticket für Hin- und Rückflug hat er bereits im August über das Internet gebucht.
Damit beginnt sich der Tatverdacht gegen Pablo Bandera zu erhärten. Möglicherweise hat er den Mord an Christoph Kästner von langer Hand geplant.
Sofort werden mehrere Ermittler mit Kopien der Fotos losgeschickt. Nachbarn von Kästner, Kellner in nahe gelegenen Kneipen und Angestellte in umliegenden Ladengeschäften werden befragt, ob sie den Mann auf dem Lichtbild am Vortag gesehen haben. Doch keiner der Zeugen, die in der Nacht durch Kästners Schmerzensschrei aufgeschreckt worden waren, erkennt Pablo Bandera anhand des Fotos wieder. Auch Diana Krüger, die das unheimliche Geschehen vor ihrem Wohnhaus vom Fenster aus beobachtet hat, kann nur wiederholen, was sie bereits zu Protokoll gegeben hat: Sie habe eine Silhouette in Richtung Park davoneilen sehen. Aber das sei nur ein gesichtsloser Schatten gewesen.
Für einen Haftbefehl brauchen die Kommissare jedoch mehr als Pablo Banderas Namen auf der Flugpassagierliste. Auch
Weitere Kostenlose Bücher