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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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ziemlich freundlich.
    »Aber es muß noch etwas näher erklärt werden, nicht? Ich sehe hier nur, daß da zwei Leute in einem öffentlichen Lokal zusammen essen. Das ruiniert wohl kaum den Ruf meiner Kundin. Ich nehme doch an, daß es das war, woran Sie dachten.«
    Ich grinste. »Sie können nichts kaufen, Mr. Ballou. ich hätte ja ein Positiv von dem Negativ machen können, oder ein zweites Negativ von einem Abzug. Wenn das Bild irgendwas beweist, dann könnten Sie nie wissen, ob der Beweis aus der Welt ist.«
    »Nicht grade eine gute Methode für einen Erpresser, um ins Geschäft zu kommen«, sagte er, immer noch lächelnd.
    »Ich frage mich immer, warum Leute überhaupt einem Erpresser was zahlen. Sie können es ja nie kaufen. Trotzdem zahlen sie, manchmal immer und immer wieder. Und am Schluß sind sie genauso weit wie am Anfang.« »Die Angst von heute, sagte er,
    »kommt immer vor der Angst von morgen. Es ist die Basis der dramatischen Wirkung, daß der Teil größer ist als das Ganze. Wenn man einen berühmten Filmstar in einem Film in großer Gefahr sieht, dann teilt man die Angst mit ihm, gefühlsmäßig. Trotzdem weiß ja der logische Verstand, daß es der Star des Filmes ist und daß ihm nichts Schlimmes geschehen darf. Wenn Spannung und Bedrohung nicht stärker wären als der Verstand, dann gäbe es kein Drama.«
    Ich sagte: »Sie werden wohl recht haben«, und blies etwas von meinem Camel-Rauch in die Gegend.
    Seine Augen wurden etwas schmaler. »Wenn es nun darum geht, ob man wirklich etwas kaufen kann: wenn ich Ihnen einen erheblichen Preis zahlen würde und dennoch nicht bekäme, was ich gekauft habe, dann würde ich Sie schon drankriegen. Würde Ihnen die Knochen im Leib kaputtschlagen lassen. Und wenn Sie dann wieder aus dem Krankenhaus kämen und sich wieder kräftig fühlten, dann könnten Sie ja versuchen, mich einsperren zu lassen.«
    »Ist mir auch schon passiert«, sagte ich. »Ich bin Privatdetektiv. Ich weiß, wovon ich rede. Warum reden Sie überhaupt mit mir?«
    Er lachte. Er hatte ein angenehmes, tiefes, müheloses Lachen. »Mein Lieber, ich bin ein Agent. Ich rechne immer ein bißchen damit, daß ein Händler noch was in der Hinterhand hat. Aber über zehn Mille wollen wir nicht reden. Soviel hat sie nicht. Bis jetzt macht sie ja nur tausend in der Woche. Obwohl, ich gebe zu, sie hat's nicht mehr weit zum großen Geld.«
    »Damit wäre sie schnell am Ende«, sagte ich und zeigte auf das Foto. »Kein großes Geld, kein Swimming-pool mit Unterwasserbeleuchtung, kein Silbernerz, kein Name in Leuchtschrift, kein gar nichts. Alles im Winde verweht.«
    Er lachte verächtlich.
    »Also: es macht nichts, wenn ich das den Polypen da drinnen zeige?« sagte ich.
    Er lachte nicht mehr. Seine Augen wurden schmal. Er fragte sehr ruhig: »Wieso würde die das interessieren?«
    Ich stand auf. »Ich glaube nicht, daß wir ins Geschäft kommen, Mr. Ballou. Sie sind ein sehr beschäftigter Mensch. Ich werde mich mal dünnmachen.«
    Er erhob sich von der Couch, ein Meter achtzig das Ganze, und reckte sich. Es war ein prächtiger Koloß von einem Mann. Er kam herüber und stellte sich vor mich. Seine nußbraunen Augen hatten kleine goldene Flecken. »Lassen Sie mal sehen, wer Sie sind, Freundchen.«
    Er streckte seine Hand aus. Ich legte meine offene Brieftasche hinein. Er las die Kopie meiner Lizenz, holte noch ein paar Sachen aus der Brieftasche und betrachtete sie. Er gab sie zurück.
    »Also, was würde denn passieren, wenn Sie Ihr Bildchen den Polypen zeigen würden?«
    »Ich müßte es erst mal in Verbindung bringen mit einer anderen Sache, an der die gerade arbeiten - etwas, das gestern nachmittag im Van Nuys Hotel passiert ist. Ich würde es auch mit dem Mädchen in Verbindung bringen: sie will nicht mit mir reden, deshalb rede ich mit Ihnen.«
    »Sie hat mir gestern abend davon erzählt«, seufzte er.
    »Wieviel erzählt?« fragte ich.
    »Daß ein Privatdetektiv namens Marlowe ihr seine Dienste aufzwingen wollte, aufgrund der Tatsache, daß sie in einem Hotel in der City gesehen wurde, in unangenehmer Nähe eines Ortes, wo ein Mord verübt worden war.«
    »In wie großer Nähe?« fragte ich.
    »Hat sie nicht gesagt.«
    »So sehen Sie aus.«
    Er ging von mir weg zu einem hohen runden Behälter in der Ecke. Er entnahm ihm einen aus einer ganzen Anzahl von kurzen dünnen Rohrstöcken. Er fing an, auf dem Teppich auf und ab zu marschieren, wobei er den Rohrstock rasch neben seinem rechten Schuh sausen

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