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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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dasselbe mit ihrem Finger, und ich tat nichts dagegen, packte nicht ihre Hand. Sie entfernte sich von mir und setzte sich in den Sessel, wobei sie ihren Mantel zusammenzog. Die Heizsonne machte den kleinen Raum warm.
    »Fünfundzwanzig Dollar am Tag«, sagte sie kopfschüttelnd.
    »Kleine einsame Dollars.«
    »Sind sie sehr einsam?«
    »Einsam wie ein Leuchtturm.«
    Sie schlug die Beine übereinander, und der leichte Glanz ihrer Haut schien den Raum auszufüllen.
    »Also, dann fragen Sie mal«, sagte sie und machte keinerlei Anstalten, ihre Schenkel zu verbergen.
    »Wer ist Steelgrave?«
    »Ein Mann, den ich seit Jahren kenne. Und mag. Er besitzt ein paar Sachen. Ein paar Restaurants. Wo er herkommt, weiß ich nicht.«
    »Aber Sie kennen ihn sehr gut?«
    »Warum fragen Sie nicht, ob ich mit ihm schlafe?«
    »Solche Fragen stelle ich nicht.«
    Sie lachte und schnippte die Asche von ihrer Zigarette. »Miss Gonzales würde es Ihnen gern erzählen.«
    »Zum Teufel mit Miss Gonzales.«
    »Sie ist dunkel und schön und leidenschaftlich. Und sehr, sehr freundlich.«
    »Und exklusiv wie ein Briefkasten«, sagte ich. »Zum Teufel mit ihr. Noch mal zu Steelgrave - hat er mal Arger gehabt?«
    »Wer hat das nicht?«
    »Ich meine mit der Polizei.«
    Ihre Augen wurden größer, sie waren etwas zu unschuldig. Ihr Lachen war etwas zu silbern. »Machen Sie sich nicht lächerlich. Der Mann ist millionenschwer.«
    »Wie hat er das geschafft?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Also gut. Sie wissen es nicht. Sie verbrennen sich gleich die Finger mit der Zigarette.«
    Ich beugte mich hinüber und nahm den Stummel aus ihrer Hand. Ihre Hand lag offen auf ihrem nackten Bein. Ich berührte den Handteller mit der Fingerspitze. Sie rückte von mir ab und machte eine Faust aus der Hand.
    »Lassen Sie das«, sagte sie scharf.
    »Wieso? Als Kind habe ich das oft bei Mädchen gemacht.«
    »Ich kenne das.« Sie atmete kürzer. »Ich komme mir sehr jung dabei vor, jung, unschuldig und irgendwie unartig. Aber es ist lange her, daß ich jung und unschuldig war.«
    »Dann wissen Sie also wirklich nichts über Steelgrave?«
    »Es wäre mir lieb, wenn Sie sich endlich entschließen könnten, ob Sie mich unter Mordanklage stellen oder mich lieben wollen.«
    »Es ist nicht eine Frage des Entschließens«, sagte ich.
    Nach einem Schweigen sagte sie: »Hören Sie, Marlowe, ich muß wirklich etwas essen.
    Ich arbeite heute nachmittag. Sie wollen doch nicht, daß ich auf offener Szene zusammenbreche?«
    »Das machen doch nur Stars.« Ich stand auf. »Also, jetzt gehe ich. Nicht vergessen: ich arbeite für Sie. Wenn ich glaubte, daß Sie jemand umgebracht haben, würde ich das nicht tun. Aber Sie waren am Ort. Sie sind ein großes Risiko eingegangen. Da gab es irgendwas, was Sie dringend haben wollten.«
    Sie nahm sich noch einmal das Foto von irgendwoher, betrachtete es und biß sich die Lippen. Sie hob die Augen, ohne den Kopf zu bewegen.
    »Das wird es wohl kaum gewesen sein.«
    »Es war etwas, das so gut versteckt war, daß es nicht gefunden wurde. Aber was für einen Wert hat es? Sie und ein Mann namens Steelgrave an einem Tisch in den
    >Dancers<. Ist nichts dabei.«
    »Gar nichts dabei«, sagte sie.
    »Also muß es etwas sein, was mit Steelgrave zu tun hat - oder mit dem Datum.«
    Ihre Augen senkten sich schnell wieder auf das Bild. »Da ist nichts, woraus man das Datum ersieht«, sagte sie schnell. »Selbst wenn es irgendwie wichtig wäre. Höchstens das ausgeschnittene Stück. ..«
    »Hier.« Ich reichte ihr das herausgeschnittene Stück. »Aber Sie brauchen eine Lupe.
    Zeigen Sie's Steelgrave. Fragen Sie ihn, ob es was bedeutet. Oder fragen Sie Ballou.«
    Ich machte mich auf den Weg zur Tür der Garderobe. »Reden Sie sich nicht ein, daß man das Datum nicht feststellen könnte«, sagte ich über die Schulter. »Steelgrave tut es auch nicht.«
    »Sie bauen auf Sand, Marlowe.«
    »Meinen Sie?« Ich drehte mich um und sah sie an, ohne zu lächeln. »Meinen Sie wirklich? 0 nein! Sie sind dorthin gegangen. Der Mann ist ermordet worden. Sie hatten einen Revolver. Er war ein bekannter Krimineller. Und ich habe etwas gefunden - und die Polizei wäre nur zu glücklich, wenn ich es vor ihnen verstecken würde. Weil da soviel Indiz dranhängt, wie Salz im Meer ist. Solange die Polente es nicht findet, habe ich meine Lizenz. Und solange niemand anders es findet, kriege ich keinen Eisdorn in den Hals. Finden Sie, daß ich einen überbezahlten Beruf habe?«
    Sie

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