Die kleinen Gärten des Maestro Puccini: Roman (German Edition)
Elvira. Es gibt andere, schmerzvolle Details, die ich lieber übergehe.
Die Lage jetzt ist die, daß ich nach Torre zurückkehren kann und das auch tun werde. Aber Dorias Familie will gegen Elvira vor Gericht ziehen, wegen öffentlicher Verleumdung. Wir versuchen, dem Einhalt zu gebieten, allerdings nehme ich nicht direkt an den Verhandlungen teil. In jedem Fall wird Elvira nie nach Torre zurückkehren können, sie würde dort gelyncht werden.
Tonio schlägt sich in einem Brief an den Vater auf die Seite der Mutter. Giacchis Gutachten hat ihn keineswegs überzeugt. Er kündigt, als wäre die Zeit der Emanzipation und der Nestflucht nun gekommen, die Stelle beim Autohändler Minetti, von dem er sich ausgenutzt fühlt, und flieht nach Straßburg, an seinen alten Ausbildungsplatz, wo er vergeblich auf eine Anstellung hofft, danach nach München, wo er die Schwabinger Bohème bereichert und Pläne hegt, nach Afrika auszuwandern.
Puccini, der davon nur über Zweite und Dritte erfährt, kann ihn gerade noch rechtzeitig umstimmen. In Afrika krepierten 99 von 100, er solle nicht wahnsinnig sein, das Zerwürfnis mit Minetti sei zu reparieren, er habe mit Minetti gesprochen, erfolgreich. Tonio könne dort wieder arbeiten, ja sogar zum Leiter einer eigenen Filiale aufsteigen. Er rechnet dem Filius vor, wieviel ihn seine Ausbildung gekostet habe – 10.000 Lire und mehr, und das, wo er ohne jedes Diplom geblieben sei. Tonio lenkt ein, wenngleich unter Vorbehalt, so, als möge seine Revolte gegen das Elternhaus zwar ad acta gelegt, aber bitte dauerhaft ernstgenommen werden. Sein Trauma, nicht mehr aus sich gemacht zu haben, als der einzige Sohn (und sehr wahrscheinlich nicht einmal das) des populärsten Komponisten der Gegenwart zu sein, wird er nie ganz überwinden.
Aus Mailand schreibt er an seinen Vater in Rom:
Tonio an GP , 8. Februar 1909
Lieber Papa,
erst gestern (Sonntag) erreichte mich Deine Antwort auf meinen Brief vom Mittwoch. Gleich darauf war ich bei Minetti (der seit drei Tagen krank ist, aber jetzt geht es ihm ganz gut), und er sagte mir, unter anderem, daß er nichts von Dir erhalten habe. Er versprach mir jedoch, daß er Dir sofort wegen dieser Angelegenheit schreiben würde. Ich kann Dir, um ehrlich zu sein, nichts darüber sagen, da ich nichts Konkretes weiß. Und darüber bin ich auch verärgert. Was das betrifft, das Du von ihm wissen willst, scheint es, daß man mir nichts sagen will. Sie arbeiten, sagen sie, sie kümmern sich um alles, haben Sitzungen mit zukünftigen Vertretern. Über den Ausgang der Entscheidungen absolutes Schweigen. Wenn ich etwas frage, ein paar ausweichende Antworten und sonst nichts. Ich hoffe jedoch, daß er Dir deutlich schreiben wird und Dir alles erklären wird.
Was Deinen Brief angeht, kann ich vor Dir nicht verbergen, wie sehr dieser mich betrübt hat. Ich muß entweder annehmen, daß Du meinen ( Brief ) nicht aufmerksam gelesen hast oder daß Du ihn in einem Moment der Aufgeregtheit gelesen hast; andernfalls kann ich mir nicht erklären, weshalb Du ihn als kalt empfinden konntest. Ich schrieb ihn freien Willens, ich schrieb das, was mein Herz mir vorgab, und niemand wußte etwas davon, bevor ich den Brief abgeschickt hatte. Wegen des Vorwurfes, den Du mir machst, der mein ausgebliebenes Kommen nach Rom betrifft, muß ich mich rechtfertigen. Sogleich nach der Unterredung mit dem Anwalt Nasi hatte ich die Idee, zu Dir zu kommen und Dir mündlich vorzutragen, was ich Dir dann schrieb. Er ( Nasi ) riet mir unter Anführung guter und richtiger Gründe davon ab.
Mir scheint, daß Du mich falsch eingeschätzt hast oder mein Eingreifen anders gedeutet hast, als es hätte gedeutet werden müssen. Die Zeit Deiner Abkapselung hat mich vor allem traurig gemacht. Meine derzeitige sehr delikate und beschämende Position ließ mich aber weder verkennen, was Du für mich getan hast, noch daran zweifeln, was Du in Zukunft für mich tun willst. Meine Position erlaubt es mir weder, und noch weniger würde ich dies wollen, eine andere Haltung oder einen anderen Ton anzunehmen als jenen, den ein liebevoller und respektvoller Sohn gegenüber seinem Vater beibehalten sollte, noch erlaubt sie mir, durchweg immer der liebende Sohn zu bleiben oder daß wir uns in jeder Minute gleich gern haben. Entschuldige meine Offenheit, und ich bitte Dich, sie wohlwollend aufzunehmen; sie soll nur ein Mißverständnis beseitigen, das zwischen uns auf keinen Fall bestehen sollte.
Mir geht es
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