Die Kleptomanin
»Es ist nur eine kleine Frage, die ich stellen möchte. Sie hatten mir eine Liste der Dinge geschickt, die verschwunden sind – und der anderen seltsamen Vorfälle –, und ich wollte Sie jetzt fragen: Ist die Liste chronologisch geordnet?«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine, sind die Dinge genau in der Reihenfolge passiert, wie Sie sie aufgeschrieben haben?«
»Nein, das nicht. Tut mir Leid – ich habe sie einfach so aufgeschrieben, wie sie mir eingefallen sind. Tut mir Leid, wenn ich Sie damit in die Irre geführt habe.«
»Ich hätte Sie gleich fragen sollen«, sagte Poirot. »Aber ich hatte es nicht für wichtig gehalten. Ich habe Ihre Liste hier vor mir. Abendschuh, Armband, Diamantring, Puderdose, Lippenstift, Stethoskop und so weiter. Aber Sie sagen, das war wahrscheinlich nicht die Reihenfolge des Verschwindens?«
»Nein.«
»Können Sie sich vielleicht noch an die richtige Reihenfolge erinnern, oder wäre das zu viel verlangt?«
»Nun, ich bin nicht sicher, ob ich das schaffe, Monsieur Poirot. Das ist ja schließlich alles schon eine Weile her. Ich müsste darüber nachdenken. Das heißt, nachdem ich mit meiner Schwester telefoniert hatte und wusste, dass Sie herkommen würden, hatte ich eine Liste gemacht, und ich denke, dass ich dort die Dinge in der richtigen Reihenfolge aufgeschrieben habe, soweit ich mich noch erinnerte. Das heißt, den Abendschuh, weil er so ungewöhnlich war, und dann das Armband und die Puderdose und das Feuerzeug und den Diamantring, weil das alles ziemlich wichtige Dinge waren und es so aussah, als ob ein echter Dieb am Werk sei. Und dann habe ich mich später an die unwichtigeren Dinge erinnert und sie hinzugefügt. Das Borax und die Glühbirnen und den Rucksack. Die waren nicht wirklich wichtig, und ich habe mich nur im Nachhinein daran erinnert.«
»Ich verstehe«, sagte Poirot. »Ja, ich verstehe … Worum ich Sie nun bitten möchte, Madame, ist, dass Sie sich jetzt hinsetzen, wenn Sie etwas Zeit haben, das heißt …«
»Ich denke, wenn ich Mrs Nicoletis mit einem Beruhigungsmittel zu Bett gebracht habe und wenn ich Geronimo und Maria beruhigt habe, könnte ich etwas Zeit haben. Was ist es, was ich tun soll?«
»Setzen Sie sich hin und schreiben Sie auf, in welcher Reihenfolge die Dinge passiert sind, so gut Sie sich eben erinnern.«
»Gern, Monsieur Poirot. Der Rucksack kam wohl zuerst, glaube ich, und dann die Glühbirnen – von denen ich wirklich nicht weiß, ob sie irgendetwas mit den anderen Sachen zu tun haben – und dann das Armband und die Puderdose, nein – erst der Abendschuh. Aber Sie wollen natürlich nicht, dass ich das jetzt rate. Ich schreibe es auf, so gut ich kann.«
»Vielen Dank, Madame, ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet.«
Poirot legte den Hörer auf.
»Ich ärgere mich über mich selbst«, sagte er zu Miss Lemon. »Ich bin von dem Grundsatz abgewichen, alles mit Ordnung und Methode zu tun. Ich hätte von Anfang an genau sicherstellen müssen, in welcher Reihenfolge die Diebstähle passiert sind.«
»Ja, natürlich«, sagte Miss Lemon mechanisch. »Wollen Sie diese Briefe jetzt zu Ende diktieren, Monsieur Poirot?«
Poirot winkte ungeduldig ab.
II
Als Inspektor Sharpe am Samstagmorgen mit dem Durchsuchungsbefehl in der Hickory Road erschienen war, hatte er zunächst verlangt, Mrs Nicoletis zu sprechen, die immer samstags mit Mrs Hubbard die Buchführung machte. Er hatte ihr erklärt, was er vorhatte.
Mrs Nicoletis protestierte heftig.
»Das ist eine regelrechte Beleidigung! Meine Studenten, die werden ausziehen – die werden alle ausziehen. Ich bin ruiniert …«
»Keineswegs, Madam. Ich bin sicher, dass sie Verständnis haben werden. Immerhin handelt es sich hier um einen Mordfall.«
»Das war kein Mord – das war Selbstmord.«
»Und ich bin sicher, wenn ich es ihnen erklärt habe, dann wird niemand Einwände …«
Mrs Hubbard flocht hier ein paar beruhigende Worte ein. »Ich bin sicher«, sagte sie, »dass alle vernünftig sein werden – außer«, fügte sie nach kurzem Nachdenken hinzu, »vielleicht Mr Achmed Ali und Mr Chandra Lal.«
»Ach die!«, sagte Mrs Nicoletis. »Die spielen keine Rolle.«
»Danke, Madam«, sagte der Inspektor. »Dann werde ich jetzt gleich hier in Ihrem Wohnzimmer anfangen.«
Dieses Ansinnen rief sofort Mrs Nicoletis’ wilden Protest hervor.
»Durchsuchen Sie, was Sie wollen«, sagte sie. »Aber hier nicht! Ich weigere mich.«
»Tut mir Leid, Mrs Nicoletis, aber wir
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