Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kleptomanin

Die Kleptomanin

Titel: Die Kleptomanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
schmeichelte ihr. Würde sie reagieren?
    Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen, Inspektor. Das intellektuelle Niveau hier ist in der Tat nicht sehr hoch. Nigel Chapman hat gewiss eine rasche Auffassungsgabe, aber ihm fehlt die Substanz. Leonard Bateson ist ein Arbeitstier – weiter nichts. Valerie Hobhouse hat eine Menge geistiger Substanz, aber sie ist einzig auf Konsum ausgerichtet und zu faul, ihren Verstand für irgendwelche höheren Ziele einzusetzen. Was Sie brauchen, ist die Unvoreingenommenheit eines ausgebildeten Verstandes.«
    »Wie der Ihre, Miss Johnston.«
    Sie schluckte das Kompliment widerspruchslos. Er registrierte mit einigem Interesse, dass sich hinter ihrer bescheidenen, angenehmen Erscheinung eine junge Frau verbarg, die eine erhebliche Arroganz bei der Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten an den Tag legte.
    »Ich denke, Sie schätzen die geistigen Fähigkeiten Ihrer Kommilitonen richtig ein, Miss Johnston. Chapman ist clever, aber kindisch; Valerie Hobhouse hat Verstand, aber eine blasierte Einstellung zum Leben. Und Sie haben einen geübten Verstand, genau wie Sie sagen. Deswegen schätze ich Ihre Meinung – die Meinung eines klaren, unvoreingenommenen Geistes.«
    Einen Augenblick lang fürchtete er, er habe es übertrieben, aber darüber brauchte er sich keine Sorgen zu machen.
    »Das Haus hier ist in Ordnung, Inspektor. Achten Sie nicht auf das, was Sally Finch sagt. Es ist ein anständiges, gut geführtes Studentenwohnheim. Ich bin sicher, dass Sie hier keine Spuren irgendwelcher subversiven Tätigkeiten finden werden.«
    Inspektor Sharpe war ein bisschen überrascht. »Ich hatte eigentlich weniger an subversive Tätigkeiten gedacht.«
    »Oh – ach so…« Sie war etwas verblüfft. »Ich hatte nur die Verbindung gezogen zu dem, was Celia über den Pass gesagt hat. Aber wenn man es unvoreingenommen betrachtet und die Tatsachen gegeneinander abwägt, dann scheint es doch ziemlich sicher, dass die Ursachen für Celias Tod eher im privaten Bereich zu liegen scheinen – irgendwelche sexuellen Verwicklungen vielleicht. Ich bin sicher, dass es nichts mit dem Heim als solchem oder mit irgendetwas, was hier ›vorgeht‹ zu tun hat. Hier geht nichts vor, da bin ich ganz sicher. Ich würde es bemerkt haben, wenn es so wäre, denn ich habe eine scharfe Wahrnehmung.«
    »Aha. Nun ja, vielen Dank, Miss Johnston. Sie waren sehr freundlich und hilfsbereit.«
    Elizabeth Johnston ging aus dem Zimmer. Inspektor Sharpe saß da und starrte die geschlossene Tür an. Sergeant Cobb musste ihn zweimal ansprechen, bevor er aufmerkte.
    »Ja?«
    »Ich sagte, das waren alle, Sir.«
    »Ja, und was haben wir erreicht? Herzlich wenig. Aber ich kann Ihnen eines versichern, Cobb. Ich werde morgen mit einem Durchsuchungsbefehl wiederkommen. Wir werden uns jetzt mit netten Worten verabschieden, so dass sie denken, das war alles. Aber in diesem Heim geht irgendetwas vor. Morgen werden wir hier alles auf den Kopf stellen. Keine leichte Aufgabe, wenn man nicht genau weiß, wonach man eigentlich sucht, aber ich hoffe, dass wir etwas finden, das uns weiterbringt. – Das war ein interessantes Mädchen, das da eben rausgegangen ist. Es hat das Selbstbewusstsein eines Napoleon, und ich habe den starken Verdacht, dass es etwas weiß.«

Zwölftes Kapitel

I
     
    H ercule Poirot, der dabei war, seine Korrespondenz aufzuarbeiten, hielt mitten in dem Satz inne, den er gerade diktierte. Miss Lemon blickte auf und sah ihn fragend an.
    »Ja, Monsieur Poirot?«
    »Meine Gedanken schweifen ab!« Poirot wedelte mit der Hand. »Eigentlich ist dieser Brief nicht so wichtig. Seien Sie doch bitte so nett, Miss Lemon, und rufen Sie Ihre Schwester für mich an.«
    »Ja, Monsieur Poirot.«
    Wenige Augenblicke später durchquerte Poirot das Zimmer und nahm den Hörer aus der Hand seiner Sekretärin.
    »Allo!«, sagte er.
    »Ja, Monsieur Poirot?« Mrs Hubbard klang ziemlich außer Atem.
    »Ich hoffe, Mrs Hubbard, dass ich Sie nicht störe?«
    »Mich kann nichts mehr stören«, sagte Mrs Hubbard.
    »Hat es wieder Aufregungen gegeben?«, fragte Poirot behutsam.
    »Das ist eine sehr nette Art es auszudrücken, Monsieur Poirot. Ja, das hat es. Inspektor Sharpe hat gestern die Befragung der Studenten abgeschlossen, und dann ist er heute mit einem Durchsuchungsbefehl wiedergekommen, und ich habe Mrs Nicoletis am Hals; sie ist völlig hysterisch.«
    Poirot schnalzte mitfühlend mit der Zunge.
    Dann sagte er:

Weitere Kostenlose Bücher