Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
(International Human Dimensions Programme on Global Environmental Change), WCRP (World Climate Research Programme) und DIVERSITAS (international biodiversity programme) die „Deklaration von Amsterdam” verabschiedet. Diese sollte die Weltöffentlichkeit und die Delegierten auf der Bonner Konferenz noch einmal daran erinnern, dass der Klimawandel Teil des globalen Wandels ist, der unseren Planeten grundsätzlich verändert durch Verlust von Biodiversität, Desertifikation, Entwaldung, Einschränkung der Ressourcennutzung usw. Die zentrale Botschaft der Deklaration lautet, dass dieser Wandel Wirklichkeit und wissenschaftlich dokumentiert ist und dass sofortige Maßnahmen zum Schutz des Erdsystems eingeleitet werden müssen. Die Zielsetzung hat eindeutig auch eine politische Dimension: Wissenschaftler sehen sich in der Verantwortung für das Management des Erdsystems. Dieses besteht aus der Interaktion von Ozeanen, Landmasse, Atmosphäre, biochemischen und geologischen Prozessen und nun eben auch den menschlichen Gesellschaften. Der Klimawandel wird nun Teil der Erdsystemwissenschaften, 24 die sich mit der Erde als einem System und dem globalen Wandel beschäftigt.
Es wird oft vergessen, wenn von „der Wissenschaft“ die Rede ist, dass diese sich permanent neu organisieren und aufstellen muss, um überhaupt als Ansprechpartner zur Verfügung zu stehen. Dieser Prozess der Außendarstellung und Selbstorganisation verläuft, wie bei anderen Gruppen, entlang von Abgrenzungen und mithilfe von Gemeinsamkeit stiftenden Symbolen. Lange vor Al Gores „Unbequemer Wahrheit“ verstanden es Wissenschaftler, die Klaviatur der kulturellen Symbole virtuos zu bedienen. In bester digitaler Technik präsentierten namhafte Wissenschaftler PowerPoint-Vorträge, in denen vor allem die Bildsprache zentral und aufschlussreich war. In immer neuen Varianten zeigten sie die Bedrohung von Biodiversität, die weltweite Gefahr von Erosion, Verwüstung und Versteppung, die Verletzlichkeit vondicht bevölkerten Küstenlandschaften, die Abholzung von Regenwäldern und ihre Folgen für die Menschen vor allem in den ärmeren Ländern der Welt, wie Migration, Armut und Krankheit. Doch auch die Hauptverursacher des globalen Wandels sind gefährdet, wie der Hauptvortrag klarmachte: In schneller Aufeinanderfolge zeigte der Hauptredner und Organisator der Konferenz, Berrien Moore III, große Errungenschaften der westlichen Zivilisation, von den großen Werken der Literatur und Musik hin zu den großen Malern wie Rembrandt, van Gogh oder da Vinci. Bei der „Mona Lisa“ stoppte die Aufzählung, und über das Bild legte sich die seit der Industrialisierung ansteigende Temperaturkurve. Die Botschaft war klar: Die westliche Welt gefährdet die kulturellen Grundlagen unserer Zivilisation und damit auch das Erbe der Menschheit, das es für unsere Kinder zu bewahren gilt.
Diese moralische Erzählung wurde in vielen Vorträgen auf dieser Konferenz variiert und durch die oft satellitengestützten Fakten der Erdsystemwissenschaft ergänzt, die in nicht weniger eindrucksvollen Bildern detailliert dargelegt wurden. Mit der Darstellung von Klima- und anderen Umweltproblemen globalen Ausmaßes entsteht so zugleich eine Ikonographie des Planeten Erde: Das berühmte aus dem Weltraum aufgenommene Foto vom blauen Planeten wurde hundertfach immer wieder auf die Leinwand projiziert. Ein Planet, so die Botschaft der Erdsystemwissenschaftler, der zerbrechlich ist und Fieber hat: Mutter Erde, Gaia oder einfach der „blaue Planet“ ist krank. Damit wird auf solchen Konferenzen nicht nur ein Bild der Erde und der sie bewohnenden Menschheit geschaffen, sondern es werden auch die Umrisse einer neuen Wissenschaft – den Erdsystemwissenschaften – geformt, entlang derer wiederum die Forschungspolitik sich ausrichten kann.
Der Bürgermeister von Amsterdam begrüßte die Kongressteilnehmer auf einem Empfang im Rijksmuseum, einem der Tempel der westlichen Zivilisation, wie sie in dem Vortrag gezeigt wurden. Der Bürgermeister kam unrasiert und zuspät. Er entschuldigte sich damit, dass er in einer Ratssitzung war, wo es um die Probleme einer Hafenstadt ging, die sich ihrer Liberalität rühmt und Dinge wie Prostitution, Drogen, Einwanderung und Tourismus zu bewältigen hat, zu denen solche der Infrastruktur kommen. Letztere sind in einem tiefliegenden Land wie den Niederlanden natürlich immer solche der Wasserwege und des Küstenschutzes; bei diesem Punkt fiel dem
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