Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
solideund normale wissenschaftliche Methodenkritik als von der Kohle- und Ölindustrie gesteuert.
Die Gruppe um Michael Mann wurde von ihren Gegnern also offen der Cliquenmentalität und Kartellbildung bezichtigt – auch von Hans von Storch. Die politische Klimadebatte war endgültig in der Forschung angekommen und spaltete sie in zwei Lager mit jeweils prominenten Fürsprechern.
Damit sind im Groben die Akteure benannt, die Ton und Struktur der zukünftigen Auseinandersetzungen in dieser sich über Jahre hinziehenden Debatte vorgaben. Auf der einen Seite stehen Wissenschaftler, die sich von der Ölindustrie bedroht und unterminiert wähnen, auf der anderen Seite solche, die von sich behaupteten, dass Ihnen nur die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft am Herzen liegt. Auf der einen Seite diejenigen, die vor dem Klimawandel warnen und darauf verweisen, dass die Wissenschaft Lösungen bereithält, auf der anderen diejenigen, die vor den Übertreibungen der Warner warnen, da diese zu keiner effizienten Klimapolitik führen. In den Extrempositionen finden sich einerseits „Alarmisten“, die um den Preis der Übertreibung vor dem Klimawandel als der größten Gefahr für die Menschheit warnen, auf der anderen Seite „Leugner“, die das Ganze für den größten Schwindel halten, der jemals von der Wissenschaft inszeniert wurde. Einzelne Elemente dieser Konstellation können jederzeit so mit anderen kombiniert werden, dass der wissenschaftliche Ruf und die persönliche Integrität des Gegenspielers in Gefahr geraten – wie oben am Beispiel von Hans von Storch gezeigt, der mal als Skeptiker und mal als Alarmist gefeiert bzw. diffamiert wurde. Und in dem immer persönlicher werdenden Disput war die Weltpresse von Wall Street Journal über die New York Times bis zum Spiegel von Anfang an involviert.
Die Hockeyschlägerdebatte wurde eines der ersten großen Themen von wissenschaftlichen und populärwissenschaftlichen Klimablogs, die, wie wir später noch sehen werden, aus der Klimadebatte kaum mehr wegzudenken sind. SteveMcIntyres Blog war hier führend: Wie wenig er auch zur wissenschaftlichen Methodendebatte beigetragen hatte – seine große Leistung bestand darin, dass er einen Weg fand, sich als Außenstehender fachkundig in eine Debatte einzumischen, von der viele der etablierten Wissenschaftler glaubten, sie als eine interne führen zu können. Das Problem war nicht der Dissens zwischen den Beteiligten über die Methode, sondern der Umgang mit der hochsensiblen Ware „Klimawissen“. Manche erlagen der Verlockung, die gesellschaftliche Klimadebatte durch Dramatisieren, Verschweigen oder Verdrehen von wissenschaftlichen Tatsachen zu manipulieren. Die Blogs bildeten zunehmend eine Gegenöffentlichkeit, die nicht mehr ignoriert werden konnte (siehe Kapitel 6).
In der gegenwärtigen Klimadebatte gibt es keine sauberen Trennungen zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft mehr, wenn es sie denn je gab. Mit der Hockeyschlägerdebatte hatte die Klimawissenschaft für alle erkennbar ihre Unschuld verloren – und damit auch alle an ihr Beteiligten, vom nüchternen Wissenschaftler über den Alarmisten bis zum Skeptiker. Der Wunsch nach Reinigung ist groß, doch in der Realität wurde es erst einmal noch schmutziger. Mit Climategate landete die Klimawissenschaft und -politik endgültig in der Klimafalle. Getreu dem Motto, dass man erst einmal ganz unten gelandet sein muss, bevor es wieder aufwärts gehen kann.
5. Die UN-Klimakonferenz von Kopenhagen: Klimapolitik am Wendepunkt
Das Jahr 2009 sollte sich als ein Jahr der Wende in der Klimadiskussion erweisen. In Kapitel 3 haben wir dargestellt, wie das Klimathema erhebliche Fortschritte in der öffentlichen Wahrnehmung gemacht hatte. Im Jahr 2007 berichteten die Medien weltweit mehr als jemals zuvor über das Klima, wobei die Veröffentlichung des Vierten Sachstandsberichts des UNO-Klimarats IPCC und die Verleihung des Friedensnobelpreises an Al Gore und den Klimarat im Zentrum der Berichterstattung standen. Kurz zuvor, im Oktober 2006, war der sogenannte Stern-Report mit großer Fanfare erschienen. Darin wurde behauptet, dass eine wirksame Klimaschutzpolitik, mit massiver Reduktion der Emission von Treibhausgasen, ökonomisch sinnvoll sei, weil die Kosten der Reduktion geringer wären als die Kosten für die andernfalls anfallenden Schäden. Die Lage erschien klar: Die Wissenschaft hatte Einvernehmen in der Sache hergestellt, und die einzig sinnhafte Strategie sei es
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