Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
Hockeyschlägerdebatte unerheblich. Es ging um ein schwieriges methodisches Problem, das in einer relativ übersichtlichen Szene von Spezialisten diskutiert wurde und vor allem eins aufzeigte: wie schwierig es ist, vergangene Klimazustände einigermaßen genau zu rekonstruieren. Die Kelle der Kurve, der steile Anstieg also, stand nie wirklich zur Debatte, weil er durch Thermometermessungen ausreichenddokumentiert war. Und für den Großteil der Paläontologen und Klimahistoriker dürfte sich durch die Aufregung um die Kurve ebenfalls nicht viel verändert haben. Sie beschäftigen sich weiterhin eher still und leise mit ihren Eiskernen, Baumringen und Berichten über mittelalterliche Weinernten oder holländische Deichschäden, mit den Rätseln mittelalterlicher Wärmeperioden, dem Maunder Minimum etc. und tragen so zu einem genaueren und sichereren Wissen über den Verlauf der prähistorischen und historischen Klimaentwicklung bei. Die Frage, ob es einen menschengemachten Klimawandel gibt oder nicht, hängt und hing nicht wirklich vom Ausgang der Hockeyschlägerdebatte ab. Das Problem ist nur, dass der Hockeyschlägerkurve vom IPCC dieser enorme Stellenwert zugeschrieben worden war. So mussten die Klimawissenschaften einen Stellvertreterkrieg ausfechten, den sie nur verlieren konnten.
Bei der Präsentation des Dritten IPCC-Sachstandsberichts im Jahr 2001 war der Hockeyschläger als Symbol, Beweis und Aufforderung zum Handeln in den Vordergrund gestellt worden – das Schaubild der Kurve suggerierte eine Jahrhunderte andauernde Regelmäßigkeit und einen plötzlichen rasanten Anstieg der Temperaturen seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die Botschaft, die John Houghton als Direktor des IPCC der Öffentlichkeit vermitteln wollte, war klar: Die Wissenschaft hat gesprochen, die Politik muss nun handeln. Rückblickend kann man sagen, dass der Preis dafür zu hoch war: Die Klimaforschung wurde in zwei unversöhnliche Lager gespalten. Zudem war ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt worden.
Michael Manns Leben als Wissenschaftler wurde von der Hockeyschlägerkurve, die manchmal nach ihrem Schöpfer „Mann-Kurve“ genannt wird, geprägt. Rückblickend schreibt er 2012 in seinem Buch „The Hockey Stick and the Climate Wars“:
„Meine Geschichte ist die eines ehrgeizigen Physikers, der auszog, um die Welt der Natur zu studieren, und der zum zentralen Ziel einer Attacke wurde, die manche als den ambesten finanzierten und am sorgfältigsten orchestrierten Anschlag der Wissenschaftsgeschichte nennen“.
Für ihn ist klar, dass hinter der Kritik an der Hockeyschlägerkurve die Öl- und Kohleindustrie steckt, die mit großem Aufwand versucht, einzelne Stellen im IPCC-Bericht herauszusuchen und in Frage zu stellen, mit dem Ziel, den menschengemachten Klimawandel als wissenschaftlich nicht nachweisbar zu deklarieren und damit der Klimapolitik die Grundlage zu entziehen. Allerdings trifft diese Verschwörungstheorie auf Hans von Storch, einen seiner Hauptkritiker, schon einmal nicht zu. In einem Interview mit dem Spiegel vom 4. Oktober 2004, das mit „Die Kurve ist Quatsch“ 38 betitelt ist, sagte von Storch auf die Frage, ob er mit seiner Kritik behaupten wolle, dass es den Treibhauseffekt nicht gäbe:
„Absolut nicht. Auch unsere Daten zeigen einen klaren Erwärmungstrend in den letzten 150 Jahren. Dennoch ist es für die Wissenschaft wichtig, auf die Fehlerhaftigkeit der Mann-Kurve hinzuweisen. In den letzten Jahren ist sie durch das von der UNO eingesetzte Wissenschaftsgremium IPCC zur Wahrheit hochstilisiert worden. Das behindert all jene Forschung, die realistisch trennen will zwischen dem menschlichen Einfluss auf das Klima und natürlichen Schwankungen.“
Die Argumentation von Storchs läuft also darauf hinaus, dass die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft durch die Politisierung der Klimaforschung in Gefahr geraten ist: durch das Aufbauschen einzelner Erkenntnisse, die methodisch fragwürdig sind, zu elementaren Wahrheiten. Solches Handeln wohlmeinender Wissenschaftler ermöglicht Opponenten, „über eine Verschwörung von Wissenschaft und Politik [zu] fabulieren“. In einem anderen Artikel im Spiegel aus dem Jahr 2005, 39 den von Storch zusammen mit dem Soziologen Nico Stehr schrieb, fühlten die Autoren sich durch die Türwächtermentalität der Verteidiger der Hockeyschlägerkurve und ihre Methoden an die „McCarthy-Ära“ erinnert: In ihrem Eifer denunzierten die Verteidiger der Kurve eine vollkommen
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