Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
nun, global die Emissionen von Kohlendioxid zu reduzieren, was in großen internationalen Abmachungen verbindlich festzuschreiben sei. Klimapolitik sollte also überwiegend durch Energiepolitik gestaltet werden. Widerspruch dazu war kaum zu hören, nur politisch tat sich trotzdem wenig – abgesehen von unverbindlichen Absichtserklärungen und allerlei symbolischen Akten. Entsprechend richteten sich die Hoffnungen auf einen entscheidenden Durchbruch bei der„Conference of the Parties“ in Kopenhagen, dem Weltklimagipfel im Dezember 2009. Im Vorfeld wurde diese Erwartung immer wieder geschürt, bisweilen mit dem griffigen Bild der „letzten Ausfahrt Kopenhagen“, wie etwa bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Klima in der Krise – Last Exit Copenhagen“ am 16. November 2009 in Wien, von der ein Teilnehmer berichtete:
„Gleich zu Beginn ihres Vortrags sprach …[eine leitende Umweltwissenschaftlerin]… ein grundsätzliches Dilemma an: Sie wisse schon gar nicht mehr, wie oft sie in den letzten zwanzig Jahren eindrücklich betont habe, dass es kurz vor zwölf sei und es mit jedem verstrichenen Jahr schwieriger werden würde, einen irgendwann irreversiblen Klimawandel zu verhindern. Wie müsste ein Horrorszenarium also aussehen, damit PolitikerInnen wie auch Privatpersonen eine radikale Energiewende in Angriff nehmen?“ 40
Der Kampf gegen den Klimawandel hat zu einer routinierten Katastrophenrhetorik auf einer vermeintlich sicheren wissenschaftlichen Basis geführt. Die politische Lösung des Problems wiederum wird häufig auf eine verordnete „Energiewende“ reduziert, deren Alternativlosigkeit durch „Horrorszenarien“ untermauert wird.
Die Frustration innerhalb der Koalition aus Wissenschaft, Politik und Umweltorganisationen, die Klimapolitik als Weltrettung verstanden und praktizierten, war wegen ausbleibender Erfolge erheblich – und so setzte man in gewisser Weise rhetorisch alles noch einmal auf eine Karte: Das politische Ziel wurde als wissenschaftlich legitimiert gesetzt. Die 2-Grad-Marke wurde als Kipppunkt identifiziert, der nicht überschritten werden darf. Zwei Grad verstanden als Erwärmung seit Beginn der Industrialisierung um ca. 1860 als der Zeit, wo die Kelle des Hockeyschlägers beginnt. Die gesamte Argumentations- und Beweislast wurde gewissermaßen der Wissenschaft aufgeschultert. Entweder gelingt in Kopenhagen im Dezember 2009 die Wende, oder es ist alles zu spät: So ging man in die Verhandlungen.
Der Durchbruch gelang nicht, die Verhandlungen scheiterten. Man fuhr auf der Autobahn einfach weiter, nachdem man die angebliche letzte Ausfahrt verpasst hatte, und setzte die Hoffnungen auf spätere Ausfahrten: die nachfolgenden Klimagipfel in Cancún, Durban, Katar oder Rio +20. Wie wir alle wissen, erholte sich die globale Klimadiplomatie von der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen bisher jedoch nicht. Mit einem Schuss Optimismus kann man immerhin heute etwas aus ihrem Scheitern lernen und Schlüsse für eine Neuausrichtung der Klimapolitik ziehen.
Das Scheitern der Kopenhagener Verhandlungen hatte vor allem zu tun mit unverträglichen Interessen der Teilnehmer. Zum Scheitern trugen aber auch unvorhergesehene Ereignisse im Vor- und Umfeld des Gipfels bei, die neues Licht auf den politischen Prozess, die Klimawissenschaften und die Grenzen der bisherigen Konzeption des Klimawandels warfen. Wir werden in diesem Kapitel auf die Stellen eingehen, an denen sich Wirklichkeit und Anspruch von Klimapolitik und Klimawissenschaft aneinander rieben.
Zuerst werden wir drei Ereignisse miteinander in Beziehung setzen, die nach unserer Meinung für das Scheitern des bisherigen Ansatzes, Klimawissenschaft und Klimadiplomatie zu vermischen, stehen. Kurz vor der Konferenz in Kopenhagen, Ende November 2009, wurde von unbekannten Personen eine große Anzahl von E-Mails veröffentlicht, die von einem Server der Climate Research Unit (CRU) in England stammten. So gelangten viele Tausend private E-Mails von zum Teil renommierten Klimawissenschaftlern, die einen signifikanten Einfluss auf das Ergebnis der IPCC-Einschätzung hatten, an die Öffentlichkeit. Dieses Ereignis erregte enormes Aufsehen in den Medien. Also ob das nicht genügt hätte, wurden zudem auch noch Fehler und Ungereimtheiten im IPCC-Bericht entdeckt und an die große Glocke gehängt, auch wenn sie im Vergleich zu dem ungeheuren Umfang des Berichts vernachlässigbar gewesen wären. Sie lenkten die Aufmerksamkeit auf einen anderen, zentralen
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