Die Klimafalle - die gefährliche Nähe von Politik und Klimaforschung
vorliegt oder nur eine kleine, spielt keine Rolle. Klar ist, dass die Erwärmung in diesen Jahren deutlich geringer ist als das, was die Modelle andeuteten. Tatsächlich aber beschreiben Klimamodelle durchaus immer wieder längere Stagnationsphasen dieser Art in der generellen langfristigen Erwärmung als Folge ansteigender Treibhausgaskonzentration; nur in der Mittelung vieler solcher Szenarien ergibt sich ein stetiger Anstieg. Aber eben dieser Sachverhalt ist außerhalb der Klimawissenschaft nicht gut kommuniziert worden, weshalb der Eindruck in der Öffentlichkeit entstand, dass es von nun an immer wärmer würde, und zwar jedes Jahr.
Die Klimawissenschaft war sich so sicher in ihrer Erklärung für die Erwärmung, dass sie es versäumte, zu prüfen, welche zukünftigen Entwicklungen diese Erklärung falsifizieren würden. Wenn es 80 Jahre lang nicht wirklich wärmer würde, wäre die Erklärung offensichtlich falsch – wenn es drei Jahre nicht wärmer wird, dann nicht. Wie viele Jahre mit einer stagnierenden Erwärmung sind genug für die Einsicht in eine notwendige Revision der Erklärung? Inzwischen denkt man über diese Frage nach, indem man die Häufigkeit solcher Stagnationsphasen in vielen Modellsimulationen zählt. Aber zunächst hatte die wissenschaftliche Gemeinschaft die Frage nicht gestellt – weder die Klimaforscher noch die Klimawirkungsforscher, geschweige denn die Klimapolitiker. Offenbar hatte man Richards Feynmans Mahnung an die Integrität der wissenschaftlichen Gemeinde, “(…) eine besondere Integrität – die darin besteht, dass man sich wirklich sehr anstrengtnachzuweisen, dass man etwas falsch versteht (…) eine Integrität, die man als Wissenschaftler haben sollte“, nicht so recht beherzigt.
Jedenfalls ist die Erwärmung derzeit zu langsam, was kein (umgekehrtes) Alarmzeichen sein muss (13 Jahre sind dazu zu kurz), aber bei weiterer Stagnation zu einem solchen werden kann. Manch einer nimmt die Stagnation bereits jetzt als Anlass, das Klimaproblem abzusagen, andere erklären, eine Stagnation gäbe es gar nicht – kurz, man streitet sich auf kleiner Flamme, und die Aufmerksamkeit, von deren Zyklen Irene Neverla sprach, wendet sich derzeit wieder anderen Fragen zu.
Jenseits der Klimafalle: Was tun?
Nach Kopenhagen, Durban, Katar und Rio +20 zieht die Karawane weiter, doch ohne dass ein Durchbruch, ein Ausweg aus der gegenwärtigen Falle in Sichtweite wäre. Die Sache der Skeptiker hat durch das Scheitern von Kopenhagen, Climategate und die Fehler im IPCC-Bericht Auftrieb bekommen, ohne dass sie am großen Bild etwas ändern konnten. Nach wie vor können sie den menschengemachten Klimawandel an sich kaum in Frage stellen, aber es ist ihnen gelungen, das IPCC, die Klimawissenschaften und die Klimapolitik in Misskredit zu bringen und dies, wie wir gesehen haben, mit zumindest teilweise bedenkenswerten Argumenten.
Die Strategie, Skeptiker auszugrenzen, erweist sich als fatal. Wir finden es vielmehr wichtig, einen Dialog zwischen Warnern und Skeptikern zu etablieren. Immer wieder gibt es solche Versuche, wie zum Beispiel durch den Philosophen Jerry Ravetz, der eine eigene Initiative startete, um den Boden für einen solchen Dialog zu bereiten. Gemeinsam mit Silvio Funtowicz ist Jerry Ravetz Begründer des Konzepts der „postnormalen Wissenschaft“, welches auch die Krise der Klimawissenschaften erfolgreich beschreibt. Eine Wissenschaft istdann postnormal, wenn sie die Fähigkeit zur nicht hinterfragten Beratung von Gesellschaft und Politik verliert, weil das Wissen notwendigerweise unsicher bleibt, gesellschaftliche Werte erheblichen Anteil am Problemgemenge haben, Entscheidungen dringend und in ihren Folgen riskant sind. Dieser Fall ist in der Klimawissenschaft längst eingetreten, wie der Soziologe Dennis Bray schon 1999 herausarbeitete: 51 Es sind gesellschaftliche Werte im Spiel, es geht um viel (zum Beispiel um Energiepolitik), die Fragen sind drängend, und gleichzeitig bestehen große Unsicherheiten im Wissen. Alle diese Punkte sind also für die Klimawissenschaft positiv zu bewerten. Diese Beobachtung motivierte Jerry Ravetz, Meinungsführer aus der ganzen Bandbreite von Bloggern, Medien und Wissenschaftlern zu einen gemeinsamen Workshop im Frühjahr 2011 nach Lissabon einzuladen, um sich in einer Atmosphäre „gewaltfreier Kommunikation“ über eventuelle Gemeinsamkeiten auszutauschen. Nicht die Betonung der Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten ermöglichen ein
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