Die Klinge des Löwen 01
denke nicht, daß
wir heute abend noch so ein nasses Abenteuer erleben müssen wie
das hinter uns liegende!“
Dietrich zog es vor,
zu schweigen. Er wußte nämlich nicht, wie sie die Künzig
überqueren sollten. Das stand ihnen spätestens morgen
bevor, sobald sie die Husenburg ins Blickfeld bekamen. Zwar hatte er
gehört, daß der Burgherr Werner von Husen vor zwei Sommern
eine Fähre bauen ließ. Seine rührige Gemahlin
Elisabeth hatte ihren etwas trägen Ehemann dazu veranlaßt,
weil sie es satt war, immer wieder vergeblich auf Lebensmittel aus
den jenseits der Künzig liegenden Tälern zu warten. Die
Bauern der Region wagten es nur bei Niedrigwasser, den
unberechenbaren Fluß zu überqueren, um zur Burg zu
gelangen. Durch den Fährbetrieb war es damit etwas besser
geworden. Nur im Frühjahr ergaben sich Probleme, wenn die Künzig
Hochwasser führte. Man hatte sich, soweit Dietrich informiert
war, dafür entschieden, in solchen Zeiten den Fährbetrieb
ruhen zu lassen, zumal es im Frühjahr ohnehin nichts zu
transportieren gab.
Da gerade jetzt
wieder die Zeit der Überschwemmungen war, rechnete Dietrich
überhaupt nicht damit, daß die Fähre derzeit benutzt
werden konnte. Er fürchtete deshalb, daß es nicht möglich
sein würde, einigermaßen bequem den hochgehenden Fluß
zu überqueren. Nun, dachte er, darüber wollen wir reden,
wenn wir dort sind. Jetzt haben wir andere Sorgen!
Er schwang sich auf
sein Streitroß, ließ aber den sich langsam erholenden
Titus gemächlich im Schritt gehen. Die Gräfin ritt hinter
ihm, mit ihrem Sohn vor sich im Sattel und ihrer einsilbigen Zofe im
Gefolge. Dietrich hatte einen entfernten bewaldeten Bergrücken
als Ziel ausgewählt. Aber vorerst mußten sie sich mühsam
ihren Weg durch die mit Erlen und Weidenbüschen bestandene
Talaue bahnen.
Nach einer Weile
stießen sie auf Erdmann, der sie mit mürrischer Miene
erwartete. Dietrich beachtete seine üble Laune nicht weiter.
„Nun, wie sieht es aus?“
„ Bisher war nichts zu
sehen, was Euch oder Eurer Begleitung Angst einjagen könnte,
Herr“, sagte er in überheblichem Ton.
„ Niemand hat Angst, Mann“,
erwiderte Dietrich kalt. „Du solltest nicht von dir auf andere
schließen.“
Ida, die von der
Spannung zwischen den beiden Männern offensichtlich unangenehm
berührt schien, schaltete sich ein: „Du bist also der
Meinung, Erdmann, daß der vor uns liegende Weg frei ist?“
„ So würde ich das
nicht ausdrücken“, entgegnete der Kriegsknecht, und aus
seiner Stimme klang so etwas wie Hohn. „Vor uns liegt sumpfiges
Gelände!“
Nun wurde Dietrich
ungehalten. „Kerl, es wäre deine Aufgabe gewesen, eine
Möglichkeit zu suchen, unpassierbare Wegstrecken zu umgehen. Was
glaubst du, wozu ich dich als Kundschafter vorausschickte?“
Erdmann versuchte
dem Ritter zu trotzen. „Könnt Ihr mir erklären, Herr,
wie ich ohne Roß diese Aufgabe erfüllen soll?“
„ Das will ich dir sagen, du
Halunke: Indem du deine Beine in die Hand nimmst! Sie nützen dir
nämlich weitaus mehr als ein Pferd, weil du ohnehin absteigen
müßtest, um einen Weg durch solch morastiges Gelände
zu finden!“
Der aufsässige
Reisige wollte offensichtlich nicht nachgeben und erwiderte voller
Sturheit: „Das ist Ansichtssache.“
Dietrich drängte
erbost seinen Rappen in unmittelbare Nähe Erdmanns, so daß
dieser erschrocken zurückwich. „Genug geschwatzt! Glaube
ja nicht, daß du mit deiner frechen Rede bei mir durchkommst!
Noch ein Wort, und ich jage dich zum Teufel! Vorwärts, spute
dich oder, bei Gott, ich mache dir Beine!“
Der Kriegsknecht
warf dem Ritter einen giftigen Blick zu, drehte sich dann aber
wortlos um und trottete davon. Dietrich beugte sich zu der Gräfin
hinüber. „Verzeiht, daß Ihr Euch diesen Wortwechsel
mit anhören mußtet, aber ich konnte dem Burschen seinen
Trotz nicht durchgehen lassen!“
„ Das konntet Ihr wirklich
nicht“, entgegnete Ida kopfschüttelnd. „Ich möchte
wissen, was in den Mann gefahren ist.“
„ Er ärgert sich, weil
er sein Pferd verloren hat und nun zu Fuß gehen muß.“
„ Nun, damit sollte er sich
abfinden.“
„ Ich weiß nicht“,
meinte Dietrich skeptisch. „Irgend etwas an diesem Kerl gefällt
mir nicht...“
Ida warf ihm einen
verständnisvollen Blick zu. „Vielleicht sind wir alle ein
wenig nervös, nach dem, was hinter uns liegt. Und die
Ungewißheit darüber, was uns noch erwartet, trägt
auch nicht zur Beruhigung bei, nicht wahr?“
„ Nun, ja“,
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