Die Klinge des Löwen 01
Hier bleiben wir die Nacht
über“, sagte er und stieg vom Pferd. „Der Boden ist
trocken, und einen besseren Lagerplatz finden wir in der Dunkelheit
ohnehin nicht .“
Noch war der Mond
nicht aufgegangen, und erst wenige Sterne glitzerten am samtenen
Firmament. Dietrich lauschte und wandte sich dann zu Roland: "Da
ist ein Wasserlauf in der Nähe. Sieh zu, Knappe, daß du
ihn findest. Die Rosse müssen heute abend noch getränkt
werden."
Während der
Junge aus dem Sattel sprang und sich in der Dunkelheit vorsichtig
zwischen den nicht sehr dicht stehenden Baumstämmen hindurch auf
die Suche machte, sattelten Dietrich und Giselbert die Pferde ab und
befreiten das Saumroß von seiner Gepäcklast. Idas Zofe
bereitete indessen für ihre Herrin und das Kind und für
sich selber ein Nachtlager. Zwei im Gepäck mitgeführte
gesteppte Unterlagen dienten ihnen als Bett auf dem nadelbedeckten
Waldboden, auf denen sie es sich bequem machten. Eine weitere,
pelzgefütterte Decke legte Bertha bereit. Sobald sie sich zum
Schlaf niederlegten, würden sie alle drei darunterschlüpfen
und so vor der nächtlichen Kälte geschützt sein.
Der Himmel über
ihnen, von dem sie hier im hohen Wald nur einen Ausschnitt sahen, war
wolkenlos, und immer mehr Sterne, zwischen den Wipfeln der Tannen
hindurchblinkend, wurden sichtbar. In den Zweigen der mächtigen
Bäume wisperte eine schwache Brise. Von der Flußaue her
rief klagend ein Waldkauz. Unweit des Lagers brachen knirschend
Zweige.
Es war Roland, der
zurückkam. Er berichtete, daß ganz in der Nähe ein
winziges Bächlein, kaum eine Elle breit, den Waldhang
herunterkomme. Anschließend fütterte er die Rosse mit je
einer Ration des mitgeführten Hafers. Zuletzt führten er
und Giselbert die Tiere zu dem Wasserlauf, um sie zu tränken.
Als sie zurückkamen,
fesselten sie den Pferden mit breiten Riemen die Vorderfüße,
damit sie sich nicht weit entfernen und doch leidlich bewegen
konnten. Anschließend wies Dietrich den Knappen an, von dem
Mundvorrat zu verteilen, den sie bei sich hatten. Mit Hühner-
und Taubenfleisch gefüllte Pasteten machten so die Runde,
außerdem gab es grobes Brot, und jeder erhielt ein Stück
von schon ziemlich altem Käse. Als Getränk diente ihnen das
Wasser des Waldbaches, das Roland inzwischen in einem wasserdichten
Lederbeutel herbeigeschafft hatte.
Hungrig, wie sie
alle nach dem anstrengenden Reisetag waren, griffen sie herzhaft zu.
Auch Greif bekam seinen Teil, den er allerdings im Nu verschlungen
hatte.
„ Friß nicht so
gierig“, brummte Roland. „Das bekommt dir nicht!“
Als Antwort fegte
der im Dunkel des Waldes nur schemenhaft wahrnehmbare Wolfshund
freundlich mit seinem buschigen Schwanz den Waldboden, als wüßte
er es besser!
„ Wir wollen den Wachdienst
einteilen“, sagte Dietrich nach einer Weile. Giselbert meldete
sich sofort. „Überlaßt mir die erste Wache, Herr!“
„ Einverstanden“,
sagte Dietrich. „Ich werde dich nach Mitternacht ablösen.
Du, Roland, übernimmst dann den letzten Teil und weckst uns bei
Morgengrauen.“
Nachdem das geklärt
war, begab sich Giselbert sofort auf seinen Posten. Dietrich und der
Knappe wickelten sich in ihre Mäntel und streckten sich auf dem
Waldboden aus. Die Frauen krochen mit dem schon schlummernden Kind
unter ihre gemeinsame Decke. Bald verrieten gleichmäßige
Atemzüge, daß die Anstrengungen des Tages ihren Tribut
forderten und alle, außer Giselbert, in tiefem Schlaf lagen.
Der Waffenknecht
umrundete von Zeit zu Zeit bedächtig das Lager und lauschte
immer wieder in die Nacht hinaus. Nichts sollte sie während
seiner Wache überraschen. Er wußte, daß in den
Wäldern der Schwarzwaldberge Bär und Wolf hausten.
Besonders bei den ersteren war es jetzt im Frühling ratsam,
Vorsicht walten zu lassen, denn die Tiere hatten ihren Winterschlaf
beendet. Sie waren hungrig, und so manch eines von ihnen würde
in diesen Tagen lieber ein in Reichweite befindliches Pferd anfallen,
als mühsam nach Wurzeln zu graben. Mit den Wölfen war es
vielleicht noch schlimmer. Sie kannten auch während der kalten
Jahreszeit keine Ruhe. Und diejenigen, die den grimmigen
Schwarzwaldwinter überlebten, waren stets auf der Suche nach
frischer Beute.
Solche Gedanken
gingen Giselbert durch den Kopf, als er in der Stille der Nacht seine
Runden zog. Wie fast jedem, der nächtens Wache hält, schien
es auch ihm, als verginge die Zeit langsamer. Am nachtschwarzen
Himmel zog inzwischen der bleiche Mond unmerklich
Weitere Kostenlose Bücher